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Patty Janes Frisörsalon

Patty Janes Frisörsalon

Titel: Patty Janes Frisörsalon
Autoren: Lorna Landvik
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die Augen, und Patty Jane legte ihr die Hand auf den Arm, der sich so dünn und leblos anfühlte wie ein Gummischlauch.
    Â»Ich liebe euch alle«, sagte Harriet, und sie drängten alle näher bei ihren Worten. »Aber das ist für euch ja nichts Neues.«
    Harriet war unangenehm heiß. Es war eine Hitze, die aus ihrem Inneren kam und jede Ader, jeden Nerv durchpulste.
    Â»Meine Ione«, flüsterte Harriet und hob die Hand zu Iones Wangen, »die weltreisende Meisterköchin.«
    Dann löste Nora Ione ab, und Harriet fühlte die Tränen des jungen Mädchens.
    Â»Ãœb auf deiner Trompete, Herzenskind«, sagte sie. »Ich werde dir zuhören.«
    Patty Jane kroch zu Harriet unter die Decke. »Heißt das, daß du nicht zur Messe kommst?« fragte sie.
    Â»Tut mir leid«, flüsterte Harriet. »Iß einen Hot dog für mich, ja?«
    Patty Jane nickte. »So ist’s richtig. Einfach gehen und mich sitzenlassen.«
    Â»Du bist doch nicht böse?«
    Â»Doch. Aber ich werd drüber wegkommen.«
    Â»Glaubst du, daß Mama und Dad da sein werden?«
    Â»Ja«, antwortete Patty Jane. »Sie werden da sein. Das Beste von ihnen wird da sein.«
    Â»Habe ich dir je danke gesagt?«
    Patty Jane schluckte. »Wofür denn, Liebes?«
    Â»Daß du mich immer zur Schule gebracht hast. Daß du mir die Zehennägel lackiert hast, als ich Mumps hatte.«
    Harriet spürte die Müdigkeit an sich ziehen wie Ebbe im Meer, und sie schloß die Augen und ließ los. Sie hörte die Wassermusik und wurde in einen sonnigen Spätsommertag geführt.
    Sie stand in einem Kleid, das eine Spur mehr Bein zeigte, als es sich gehörte, an einer Straßenecke. Ein Auto kam langsam auf sie zu, ein schöner austerfarbener Packard, in dessen Chromverzierung sich das Licht brach wie in einem Prisma. Als das Auto vor ihr anhielt, stieg sie ein. »Avel!« sagte sie laut zu dem kleinen Mann am Steuer.
    Harriet öffnete die Augen. »Keine Sorge, Reese, wir heben dir einen Platz auf dem Vordersitz auf.«
    Ihre Augenlider flatterten, als Avel das Gaspedal durchdrückte.
    Immer noch trommelte der Regen aufs Dach, und Patty Jane dachte, wie musikalisch das klang. Halb in Erwartung, himmlische Chöre zu hören, blickte sie zur Decke hinauf, aber sie bot nicht mehr als Rauhverputz und die Milchglaslampe. Doch jemand Neues war im Zimmer spürbar. An der Tür stand Thor mit schläfrigen Augen und wirrem blonden Haar. Er hielt Harriets Spieluhr. Er stand so gerade wie ein Wachposten, bis die letzten Töne klimpernd verklungen waren. Dann sagte er nur: »Auf Wiedersehen, Harriet.«
    Patty Jane trug zehn Zentimeter hohe Absätze zu Harriets Beerdigung.
    Â»Heiß«, sagte Clyde Chuka und pfiff leise.
    Â»Ich komme mir saublöd vor«, sagte sie, eine Grasböschung zum Grab hinaufstolpernd, »aber Harriet fand meine alten Treter immer furchtbar.«
    Die Sonne schien, und ein leichter Wind, der an den nahenden September mahnte, spielte im Haar der Frauen und zupfte an den Hosenbeinen der Männer. Patty Jane hörte die Worte des Geistlichen, aber lauter noch sprach zu ihr die große Gemeinde der Trauernden, die im Halbkreis um sie herum standen.
    Â»Schau dir das an, Harriet«, flüsterte sie. Sie sprach nicht zu dem blaßgrünen Sarg, der mit Buketts wächserner Blumen beladen war, sondern zum Grün und Blau von Erde und Himmel, zu den Bäumen, die noch voller Laub und von Vögeln bevölkert waren, zu den Wolken, die sich wie weiße Leinwandballen entrollten.
    Später ging sie mit der Gruppe von der Flotten Locke zu den Autos.
    Â»Ich hab in einer von ihren Tanzpausen den Jerk gelernt«, sagte Alva Bundt zu Evelyn Bright.
    Â»Sie hat mich an Cyd Charisse erinnert«, sagte Inky Kolstat. »Nur mit langem Haar.«
    Â»Sie und ich haben einmal mit dem Geist meines Bruders kommuniziert«, sagte Esme Ames.
    Grimmy Bultram wischte sich das Gesicht mit einem Taschentuch. »Sie hat gesagt, ich hätte Rhythmusgefühl.«
    Patty Jane hörte nur mit halbem Ohr auf diese Reminiszenzen; sie konzentrierte sich auf Pläne für später. Sie würde zu Fuß durch das Viertel gehen und in den Straßen und Häusern und Seen, die sie zusammen gekannt hatten, Harriet sehen und hören. Sie wollte eine lange Wanderung machen und dann in Dankbarkeit und Trauer nach Hause gehen. Immer war Zuhause
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