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Patty Janes Frisörsalon

Patty Janes Frisörsalon

Titel: Patty Janes Frisörsalon
Autoren: Lorna Landvik
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Patty Jane. »Alles in Ordnung?«
    Â»Nein.«
    Patty Jane umschlang den schmalen, knochigen Körper ihrer Schwester, der unter dem schweißfeuchten Nachthemd zitterte.
    Â»Was ist denn los, Liebes?«
    Harriet rang keuchend nach Atem. »Ich hab solche Angst, Patty Jane. Ich hab solche Angst, daß ich glaube, ich werde verrückt.«
    Â»Ach, Liebes. Wenn man Angst hat, ist man doch nicht verrückt.«
    Â»Was wird nur mit mir geschehen?« fragte Harriet. »Stell dir mal vor, es gibt wirklich eine Ewigkeit! Ich will nicht in alle Ewigkeit ich sein!«
    Die absurde Wahrheit von Harriets Worten reichte aus, um eine winzige Bresche in Patty Janes Traurigkeit zu schlagen, und sie lachte.
    Â»Was ist daran so komisch?« fragte Harriet empört.
    Â»Ach, Harriet. Ich möchte nicht in alle Ewigkeit ich sein«, äffte Patty Jane sie nach. »Wenigstens könntest du mit den übrigen Engeln zusammen die Harfe spielen – oder die himmlischen Chöre verstärken. Was soll ich denn in alle Ewigkeit tun?«
    Harriets Lachen war schwach, aber es war ein Lachen. »Vielleicht brauchen die Engel Dauerwellen.«
    Patty Jane lupfte den Rücken von Harriets Nachthemd und schwenkte den Stoff, um ihn so zu trocknen. »Aber Harriet, wenn Gott so was wie die Ewigkeit erfinden kann, dann kann er für uns auch eine Möglichkeit erfinden, mit ihr umzugehen.«
    Â»Glaubst du wirklich?«
    Patty Jane spürte, wie Harriets Körper sich endlich entspannte. »He, ich bin deine große Schwester. Ich weiß es.«
    Nora hielt sich so wenig wie möglich in der Flotten Locke auf. Sie übernahm freiwillig den Dienst anderer Mädchen im Drive-in; weil sie auf ein eigenes Auto spare, behauptete sie.
    Â»Aber du kannst doch den Führerschein erst mit sechzehn machen«, erinnerte sie Patty Jane.
    Â»So weit ist das gar nicht mehr weg«, sagte Nora.
    Wenn sie nach Hause kam, roch sie nach Hamburgern und gebratenen Zwiebeln und dem schwülen Parfum, das die Drive-in-Eigentümerin benutzte, um ihre Küche zu desodorieren. Sie lag stundenlang in der Badewanne und arbeitete sich langsam, aber sicher durch ganze Kartons von Iones tropischen Badesalzen. Wenn sie nicht arbeitete oder mit ihren Freunden in der Stadt oder am Nokomis-See unterwegs war, saß sie unten im Keller bei Thor und seinen Vogelhäusern und half ihm, ein Dach zu streichen, einen Fensterladen anzuleimen oder eine Haustür für einen Blauhäher zurechtzuschneiden. Für sie war Thors Kellerwerkstatt der einzige friedliche Ort im Haus, ihr Vater der einzige Mensch, dem sie nichts vormachen mußte.
    Â»Es ist so ungerecht«, sagte Nora. »Warum muß es gerade Harriet treffen? Sie hat keinem Menschen was getan.«
    Thor sah von seinem Hobel auf und zuckte die Achseln. Seine Augen blickten freundlich, aber seine Brauen waren verwirrt zusammengezogen.
    Â»Sie raucht – na wenn schon! Eine Menge Leute rauchen.«
    Â»Ich rauche nicht«, sagte Thor mit seiner langsamen Kinderstimme.
    Nora ging zwischen zwei Reihen Vogelhäusern hin und her. »Hey, Dad, das hier ist neu, stimmt’s?« Sie umrundete ein Hochhaus für Rotkehlchen und strich mit den Fingern über seine Kanten. »Cool.« Einen Moment lang ließ sie sich ablenken und zählte die Balkone.
    Dann stürzte sie plötzlich zur Werkbank hinüber und warf sich dem einfältigen Mann, der ihr Vater war, weinend in die Arme.
    Als die Tage vergingen und jeder Tag ihr mehr Kraft raubte, dachte Harriet viel über Nora nach.
    Â»Ich halte es nicht aus, daß sie mir aus dem Weg geht«, sagte sie zu Reese.
    Â»Sie hat Angst, Harriet.«
    Â»Pff«, machte sie, eine Entgegnung, die Nora gern gebrauchte. »Das ändert nichts daran, daß sie mir fehlt.«
    Reese bog auf den Parkway ab. Die Scheibenwischer fegten in weiten Bögen den Regen vom Glas. Harriet hatte den Wunsch geäußert, durch den Regen zu fahren; nichts entspannte sie mehr, als dicht neben Reese zu sitzen, das Radio auf einen Sender eingestellt, der Musik der vierziger Jahre brachte, und das Gefühl von Geborgenheit zu genießen, wenn der Wagen durch tiefe Pfützen pflügte.
    Â»Ich krieg langsam Hunger«, bemerkte Reese, als Glenn Miller mit seinem Orchester Moonlight Serenade anstimmte.
    Â»Du hast immer Hunger«, konstatierte Harriet. »Hast du was Bestimmtes im Auge?«
    Reese bog nach links ab.
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