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Patrick: Eine finstere Erzählung

Patrick: Eine finstere Erzählung

Titel: Patrick: Eine finstere Erzählung
Autoren: Christian Sidjani
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sie bei ihm ließ, die teuren Zigaretten kaufte. Bevor sie abwesend vor sich hin schauen kann, leert sie das Glas in ihrer Hand und stellt es auf den Tisch. Dabei behält sie Paddy im Blick, als müsste sie sich vergewissern, dass er nicht plötzlich aufspringt und wegläuft. 
    „Erzähl weiter“, sagt sie.
    „Ja, gut. Für manche klingt das echt bescheuert. Und es klang auf jeden Fall für Nicole bescheuert, als ich ihr das sagte. Was willst du denn mehr, fragte sie, wir haben doch alles, was wir brauchen. Und ich war so perplex, dass ich nicht darauf antworten konnte und sie mich schier überwältigte mit einer Nummer auf der Toilette des Cafés, in dem wir gesprochen hatten. Es war dann wohl unfair, nur einen Tag später mit ihr Schluss zu machen. Das klingt jetzt wahrscheinlich, als sei ich das Arschloch. Aber der einzige Fehler, den ich zu der Zeit beging, war, mich überrumpeln zu lassen. Es war halt eine aufregende Sache, Sex auf einer öffentlichen Toilette.
    Ich konnte einfach nicht mehr. Ich hatte keine Lust mehr auf den ewigen Sex. Klingt auch recht seltsam. Wenn man bedenkt, dass ich dich zu mir nach Hause einlade und fünf Jahre sozusagen abstinent lebte. Aber, ach, du hältst mich bestimmt für einen paradoxen Idioten.“
    Patrizia erhebt sich von ihrem Platz und setzt sich direkt neben ihn. Es ist nicht viel Platz zwischen seinem Körper und der Sofa-Lehne, sodass sich ihre linke Körperhälfte an ihn drückt. Sie nimmt ihm das Glas aus der Hand, das er nicht auf den Tisch stellte, und trinkt einen Schluck seines Martinis. Dann legt sie ihm eine Hand auf den Oberschenkel und sagt: „Erzähl weiter, Paddy. Ich halte dich nicht für einen Idioten. Und ich höre dir gerne zu. Ich wusste gar nicht, dass du so spannend erzählen kannst.“
    Er lacht. Diesmal nicht so jungenhaft, irgendwie verloren. Es klingt so deplatziert wie die Worte ‚cool’ oder ‚Arschloch’ aus seinem Mund.
    „Okay, nun ja, also, ich machte Schluss“, stottert er erst, „und ich dachte, die Sache hätte sich damit erledigt, aber dann begann der ganze Schlamassel erst. Nicole meldete sich jeden Tag bei mir. Manchmal nur per Telefon, aber sie stand auch vor meiner Tür. Zum Glück hatte ich ihr nie einen Schlüssel zu meiner Wohnung gegeben. Als hätte ich gewusst, dass es so enden sollte.
    Wenn ich zu Hause war, klingelte sie, rief zum Fenster hinauf, ich solle sie hinein lassen. Es waren traurige Szenen, die sich da abspielten. Sie laberte von Liebe auf meinen Anrufbeantworter. Sie suchte mich auf meiner Arbeit auf. Eigentlich war sie immer noch da, obwohl ich sie nicht mehr sehen wollte. Und trotz meiner abweisenden Art schien es ihr Spaß zu machen mir überall aufzulauern, mir nach zu spionieren.
    Ich stellte sie öfters zur Rede, aber sie lachte mich nur aus und sagte, ich wüsste noch nicht, dass sie die Richtige für mich war. Eines Tages dann, um sie endgültig loszuwerden, wie ich dachte, traf ich mich mit einer alten Freundin und bat sie, mein Date zu spielen. Ich wusste, dass Nicole mich auch an diesem Tag verfolgte und so bekam sie mit, wie Natascha und ich Arm in Arm durch die Innenstadt schlenderten. Von da an wurde es hässlich mit Nicole, dass ich bald darauf das Schloss meiner Tür auswechseln ließ. Ich konnte ja nicht wissen, ob sie nicht doch den Zweitschlüssel mal heimlich genommen hatte, als wir noch zusammen waren, und kopieren ließ. Vielleicht war sie sogar in meiner Wohnung gewesen während meiner Abwesenheit. Ich weiß es nicht. Aber auch wenn ich nun sicher war, dass sie nicht mehr in meine Wohnung gelangen konnte, half das wenig, was den Psychoterror anging.
    Sie schickte mir Drohbriefe, in denen sie behauptete, sie würde Natascha und mich in einem unbeobachteten Moment einfach erschießen. Sie nannte meine Freundin ,Hure’ und ,Fotze’ und mich ein ‚Arschloch’, einen ‚perversen Sack’. Ach, was weiß ich, was für Schimpfwörter sie in diesen Briefen benutzte. Ich habe sie nicht mehr, um nachgucken zu können. Und das Verrückte daran war, ihre Briefe hatte sie nicht mit der Hand geschrieben. Wie bei Entführer-Schreiben setzten sich die Worte aus ausgeschnittenen Buchstaben aus Zeitungen zusammen. Sie schickte mir wirklich Dutzende von diesen Briefen, fast jede Woche einen, und zur Unterstützung ihrer Drohungen war ihre Stimme auf meinem Anrufbeantworter nun aggressiv und sie stieß eine Reihe von Mordphantasien aus. In all der Zeit hatte sie sich aber nicht mehr getraut, bei mir
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