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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben
Autoren: Katrin Stehle
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tun. Ich schlucke und weiß nicht, was ich sagen soll.
    »Sauheiß heute«, sagt sie.
    Ich sehe sie an. Und kann es nicht glauben, Julia legt sich neben mich. Ausgerechnet Julia. Julia, die in der Schulband singt und dann noch in einer anderen, cooleren, mit lauter älteren Jungs. Julia, stellvertretende Schülersprecherin, angestarrt von Mädchen und Jungen. Die einen, weil sie sein wollen wie sie, die anderen, weil sie mit ihr zusammen sein wollen. Die Jungs in meiner Klasse machen Witze über ihren Busen und bekommen dabei Schweißflecken unter den Achseln. Echt eklig.
    Und jetzt liegt Julia hier neben mir, redet mit mir. Ich verstehe überhaupt nicht, warum. Ich dachte eigentlich, sie weiß gar nicht, dass ich existiere.
    »Die Idioten da drüben meinten, sie könnten mich vollquatschen«, sagt sie und deutet in Richtung Wasser, wo eine Horde Jungs zu uns rüberstarrt. »Keine Ahnung, was die sich einbilden.«
    Ich sehe genauer hin und erkenne Erik aus meiner Klasse. Irgendwas Kluges sagen. Leider fällt mir nichts ein.
    »Erik«, sage ich nur und verdrehe die Augen.
    Ich sehe, wie Julia lächelt.
    Langsam erhole ich mich wieder. »Er ist in meiner Klasse. Ich bin Sofie.«
    Sie nickt. »Ich weiß. Du hast doch das Licht beim Schultheater gemacht, oder?«
    »Wurde überredet«, murmle ich. Eigentlich wollte ich Bühnenbild machen. Aber das gab es nicht, weil der Theaterleiter der Ansicht ist, dass modernes Theater so was nicht braucht. Clara, die in der Gruppe spielte, hat dann durchgesetzt, dass das Licht in diesem Jahr ein Mädchen machen muss. Wegen der Benachteiligung von Frauen und Mädchen und so weiter. Ich finde das ja prinzipiell richtig, wäre aber doch lieber gefragt worden, weil ich gut bin, und nicht wegen meines Geschlechts.
    »Seitdem wollte ich mit dir reden«, sagt sie. »Wir bräuchten ein neues Lichtkonzept für die Band und du hast echt was drauf.«
    Am nächsten Tag stehe ich in der Pause bei ihrer Clique, spüre Claras Blicke im Rücken. Und da weiß ich, dass es kein Zurück mehr gibt. Clara hasst Julias Clique, hält sie für oberflächlich und langweilig. Für sie ist es das endgültige Aus, wenn ich mich mit denen anfreunde, eine wirkliche Kriegserklärung. In diesem Moment finde ich das total kindisch. Weil sie Julia keine Chance gibt, zu zeigen, dass sie in Wirklichkeit ganz nett ist.
    In meinem Zimmer scheint mein Laptop mich anzustarren. Mach mich auf. Ich schaue weg, krieche zurück in mein Bett, drehe mich zur Wand. Plötzlichist mir heiß. Ich strecke die Füße unter der Decke heraus. Schlafen. Ich muss unbedingt schlafen. Sonst bin ich heute tot, funktioniere nicht …
    Die Füße werden kalt. Wieder einziehen. Clara schläft mit Socken. Sie trägt meistens nachts Socken. Tagsüber läuft sie am liebsten barfuß. Auch einer von Marens Beweisen für ihr »Durchgeknalltsein«.
    Ich kann nicht schlafen. Muss einfach noch mal nachschauen. Gewissheit dafür haben, dass ich mir das nur eingebildet habe.
    Sie ist noch immer da, die Nachricht. Genauso wirklich wie die Fotos von der Party, die Julia schon gepostet hat. Ich bin nur auf einem einzigen zu sehen. Mein Blick ist wirklich ein wenig irre, ein Glas Bowle in meiner Hand. Ich habe den Mund weit aufgerissen und lache. Die Augen lachen nicht mit. »Sofie hat Fun« steht darunter. Niemand scheint meine traurigen Augen zu bemerken, zu sehen, dass alles nur Fake ist. Auch meine Eltern bemerken nichts, meinen, alles sei in Ordnung. Nur meine Mutter hat einmal gefragt, als sie mich dabei ertappt hat, wie ich mit dem iPod auf dem Bett lag und Musik gehört habe. Ein gemurmeltes »Der Druck in der Schule macht mich echt fertig, lauter Klausuren« hat gereicht. Sie hat ein paar dieser homöopathischen Kügelchen angeschleppt und damit war alles für sie in Ordnung. Ich habe danach besseraufgepasst.
    Trotzdem, Clara hätte erkannt, dass ich nur so tue, als ob. Und in diesem Moment wird mir klar, dass sie der Mensch ist, der mich am besten kennt. Vielleicht sogar besser als ich mich selbst. Ich hätte kämpfen sollen, damit wir uns zumindest wieder richtig versöhnen, uns wieder nahe sind, bevor sie gegangen ist.
    Die Fotos langweilen mich, sehen aus wie alle Partyfotos von uns oder von anderen aus unserer Schule. Ich klicke zurück auf meine Seite. Noch immer steht da Marios Nachricht. Und seine Statusmeldung auf seiner eigenen.
    Ich fasse mir an die Stirn, um zu fühlen, ob ich vielleicht Fieber habe. Nichts. Nur ein kleines bisschen wärmer
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