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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben
Autoren: Katrin Stehle
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witzig fand, Maren zu ärgern. Wir haben z. B. ihre Barbie an den Haaren aufgehängt oder ihre Beine mit denen von Ken vertauscht …
    Aber seit Clara und ich keine Freundinnen mehr sind, hat sie das Gefühl, dass ich ihr ähnlicher bin. Auch weil sie mit einer von Julias älteren Schwestern gut befreundet war. Wir haben seitdem ein paar Mal was zusammen gemacht, zum Beispiel Shoppen in Friedrichshafen, oder ich hab ihr beim Einrichten ihres Zimmers im Studentenwohnheim geholfen. Als Maren ausgezogen ist, habe ich sie am Anfang fast ein wenig vermisst, obwohl ich mir das nie hätte vorstellen können. Trotzdem wünsche ich mir jetzt, sie würde ihren Mund halten. Selbst wenn es Mario wirklich geben würde. Es ist, als würde man frisches Jod auf eine Wunde schütten. Es tut furchtbar weh, aber beschweren darfst du dich nicht, weil es ja lieb gemeint ist.
    Mein Vater stellt Kaffee auf den Tisch und nimmt dann wieder die Zeitung.
    »Kannst du nicht mal am Samstag … wenn schon Maren heute da ist?«, fragt meine Mutter und greift nach der Zeitung.
    »Hmhm … ich hab was über Clara gefunden, hätte sie kaum erkannt …«, murmelt mein Vater.
    Ich merke, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildet.
    »Ist die etwa schon wieder da?«, fragt Maren.
    »Zeig mal her!«, sagt meine Mutter und entwindet meinem Vater die Zeitung.
    Ja, denke ich. Sie müsste angekommen sein in Kiel. Im Heimathafen.
    Ich weiß sofort, dass irgendetwas anders ist.
    Clara sieht auf den Boden, als ich ihr den Reiseführer hinhalte, den ich heimlich gekauft habe. Noch wissen meine Eltern nichts davon, dass wir planen, zu zweit auf Radtour zu gehen, an der Nordseeküste entlang. Mit Übernachtungen in Jugendherbergen und im Zelt. Maren ist in meinem Alter auch mit Freunden allein verreist. Trotzdem weiß ich, was kommen wird. Dass sie vielvernünftiger und erwachsener ist als ich und Clara und es immer war. Trotzdem, wir haben fest vor, auf »Gleichberechtigung« zu bestehen.
    »Was ist?«, frage ich und merke, dass an meiner Lippe ein kleiner Hautfetzen lose ist. Mit den Zähnen versuche ich, ihn abzureißen.
    »Ich hab da was Cooles gefunden«, sagt sie und am Boden scheint irgendwas furchtbar interessant zu sein.
    »An der Nordsee?« Ich weiß natürlich, dass sie das nicht meint, sondern dabei ist, unsere Pläne irgendwie über den Haufen zu werfen. Trotzdem tue ich so, als wäre das nicht so. Ich weiß selbst nicht genau, warum.
    »Auch.« Clara versucht die Teppichfasern um ihre nackten Füße zu wickeln.
    Ich atme tief ein. »Also«, sage ich. »Was ist los?«
    »Segeln. Ich wollte immer schon übers Meer segeln.« Und sie zeigt mir eine Internetseite über ein Segelschiff, mit dem Schüler ein halbes Jahr durch die Welt segeln können, mit integrierter Schule.
    »Das wäre doch was für uns?«, fragt sie und ich sehe ein Leuchten in ihren Augen.
    »Die schreiben hier, dass man andere Kulturen kennenlernt, dass man eine Zeit lang mit Menschen z. B. in Mexiko lebt, dass es ein irres Gemeinschaftserlebnis ist.«
    Ich merke ein Kribbeln irgendwo in der Magengegend. Wind in unseren Haaren, denke ich, Abenteuer.
    »Stell dir vor, wir beide liegen an Deck, beobachten den Sonnenuntergang, der wahnsinnig sein soll am Äquator …«, sage ich.
    Sie seufzt, klickt sich ein wenig durch die Website. »Und dann kommen wir zurück und sind ganz anders. Ein Erlebnis, das fürs Leben prägt, schreiben sie …«
    Meine Eltern würden staunen.
    Plötzlich fällt mir etwas ein. »Aber wie wählen sie aus, wer mitdarf?«
    »Es gibt so eine Art Aufnahmewochenende. Da kann man sich auch um ein Stipendium bewerben.«
    Geld. Klar, daran habe ich mal wieder nicht gedacht. Bestimmt kostet so was eine ganze Menge.
    Sie nennt mir die Summe und ich weiß sofort, dass nichts draus wird, nicht für mich. Und zum ersten Mal spielt es eine Rolle, dass ihre Eltern reich sind und meine nicht.
    »Oh, mein Gott!«, höre ich meine Mutter sagen.
    Ich sehe sie an. Ihre Wangen sind ganz rot geworden, wie immer, wenn sie sich aufregt.
    »Hast du gesehen, was sie mit ihren Haaren gemacht hat?«
    Grün, denke ich, oder raspelkurz oder irgendwas Verrücktes.
    »Oh nein«, Maren spitzt die Lippen. »Ihre Haare waren immer das Schönste an ihr, haben so schön geglänzt.«
    Langsam werde ich doch neugierig. Obwohl ich nicht will. Obwohl ich mit ihnen nicht zum hundertsten Mal über Clara diskutieren will. Sie haben sie noch nie leiden können. Ich nehme einen Schluck Kaffee. Ohne Milch
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