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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben
Autoren: Katrin Stehle
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sie auch gleich von Anfang an meine Eltern geschockt, als meine Mutter mich vom Kindergarten abgeholt hat.
    »Kann ich mit zu euch kommen?«, fragt Clara und sieht meine Mutter von unten herauf an.
    Ich beiße an meinem Fingernagel herum. Obwohl ich das eigentlich nicht soll. Meine Mutter schmiert mir manchmal was von dem bitter schmeckenden Zeugs drauf. Aber das ist schnell runtergelutscht, schmeckt nur ganz kurz scheußlich.
    »Aber …« Meine Mutter sieht völlig ratlos aus und sieht mich an.
    Ich weiche ihren Augen aus. »Das ist Clara. Sie ist neu«, sage ich zu meinen rosa Hausschuhen mit dem aufgestickten Kaninchengesicht.
    »Da muss ich erst mal mit deiner Mama reden«, erklärt meine Mutter. »Dann können wir gerne etwas ausmachen.«
    »Meine Mama hat keine Zeit«, sagt Clara und sieht meine Mutter bettelnd an. »Ach bitte. Hier ist es so doof.«
    Meine Mutter fährt sich über die Nase, wie immer, wenn sie nachdenkt.
    »Ich rede mal mit der Erzieherin.«
    Ich will mich auf das Anziehbänkchen setzen, aber Clara packt meine Hand und zieht mich hinter sich her.
    »Ich gehe heute mit zu Sofie«, sagt sie triumphierend. »Ich bleibe nicht länger hier.«
    »Aber … deine Mutter hat ausdrücklich …«, erklärt Frau Walz.
    »Der ist doch egal, wo ich bin, Hauptsache sie hat ihre Ruhe«, sagt Clara und lächelt dabei, als hätte sie etwas ganz Tolles gesagt.
    Ich starre sie an.
    »Es zieht«, sagt Clara und hält mir grinsend den Mund zu.
    »Also, da muss ich erst mit deiner Mutter reden.«
    »Bitte.« Clara macht einen Schmollmund.
    »Wäre das in Ordnung für Sie? Würden Sie Clara mitnehmen? Es ist ja schön, dass Sofie endlich Anschluss gefunden hat …« Ich kenne dieses besorgte Gesicht und habe sie leise darüber reden hören, dass ich schwierig bin, dass ich keine Freunde finde und mich an die Erzieherinnen halte …
    Ich schlucke. Bisher war ja auch keine Clara in meiner Gruppe.
    »Bitte.« Ich sehe meine Mutter an.
    Sie seufzt und nickt schließlich.
    »Also, ich rufe deine Mutter mal schnell an«, sagt Frau Walz und greift nach dem Telefon.
    »Oh nein«, murmelt Clara.
    »Erlaubt sie's nicht?«, flüstere ich.
    »Sie erreicht sie sicher nicht.« Clara lässt die Schultern hängen.
    Und wirklich. Claras Mama geht nicht an ihr Handy.
    »Dann müsst ihr Mädels wohl bis morgen warten«, erklärt Frau Walz.
    Clara drückt kurz meinen Arm und rennt dann zu den Mittagskindern hinüber.
    Ich sehe ihr nach.
    »Morgen ist es immer viel zu schnell.« Frau Walz lächelt. Sie lächelt oft. Und eigentlich gefällt mir das gut. Heute aber nicht.
    Als meine Mutter mir hilft, meine Schuhe zu binden, sagt sie: »Ein seltsames Mädchen.«
    Ich erzähle ihr von Claras Schloss.
    Meine Mutter schluckt. »Sollen wir nicht Miriam für heute Nachmittag einladen? Die ist doch ein wirklich nettes Mädchen. Und sicher kommt ihr zusammen in die Schule …«, sagt sie.
    Ich schüttle nur den Kopf. Ich habe ihr schon so oft gesagt, dass ich Miriams ewiges Puppengespiele total langweilig finde.
    Meine Mutter stellt einen frisch gepressten Saft vor mir ab. Ich kann die Zeitung nicht schnell genug verschwinden lassen. Um sie nicht ansehen zu müssen, nehme ich einen Schluck Saft. Er ist kühl und hat noch ein paar Klümpchen.
    »Hast du Angst, was passiert, wenn Clara wieder zurückkommt?«, fragt sie.
    Ich verschlucke mich beinahe.
    »Du hast doch jetzt einen ganz anderen Freundeskreis. Da brauchst du dich nicht zu fürchten.« Sie lächelt mich an.
    »Tu ich auch nicht.« Meine Stimme klingt seltsam rau.
    Manche Dinge scheinen einfach klar zu sein, selbst wenn man sie nicht wirklich glauben kann. Nach meiner Begegnung mit Julia am See fange ich irgendwie an, zu ihrer Clique zu gehören. David steht von Anfang an ziemlich oft dicht neben mir. Seine Hand auf meinem Arm, unsere Arme, die sich kurz berühren, wenn wir nebeneinander durch die Tür gehen, seine Augen, die irgendwas in meinen zu sehen scheinen, von dem ich nichts ahne. Und ich, die dabei eine andere wird. Ich werde älter, einfach so. Die Dinge, die Clara und mich verbunden haben, kommen mir plötzlich kindisch und langweilig vor. Wie oft kann man Flusswanderungen machen und mit der Pfadfindergruppe neue Wege durch Wälder suchen? Wie viele Kunstprojekte und Performances kann man sich ausdenken? Wie oft kann man über die Weltorganisation und Politik diskutieren, wenn es dieses Kribbeln gibt? Musik und Café Latte in einer Bäckerei? Davids Stromstoßberührungen und
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