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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben
Autoren: Katrin Stehle
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nächsten Ecke.
    Ich stehe allein auf dem leeren Pausenhof. Ein Windstoß fährt in die Blätter, die bereits von den Bäumen gefallen sind. Eines umraschelt meinen Fuß. Ich stampfe darauf. Komischerweise fühle ich mich ganz leer, so als wären sie für immer aus meinem Leben verschwunden. Aber vermutlich bin ich nur eifersüchtig, weil ich das Wochenende gerne mit David verbracht hätte. Ich sollte ihm mehr vertrauen. Schließlich sind wir uns schon ganz schön nahegekommen.
    Langsam gehe ich nach Hause.
    Ein paar Stunden später starre ich auf mein Handy. Vor fast zwei Stunden habe ich ihm eine erste SMS geschickt.
    Bist du gut angekommen? Vermisse dich. XXX Sofie.
    Nichts. Keine Antwort. Anscheinend vermisst er mich nicht. Er hat ja Julia. Ich schlucke, will keine dieser eifersüchtigen Klebefreundinnen sein. Sondern eine, die weiß, was sie wert ist, die ihrem Freund vertraut. Vermutlich hat er einfach Spaß, spielt Rundlauf mit seinen Kumpels. Dabei hat er das Piepsen der SMS nicht gehört. Oder aber sie machen eine Kissenschlacht in einem der Schlafräume. Zumindest hat Julia mir begeistert von diesen legendären Kissenschlachten erzählt. Plötzlich habe ich eine Szene im Kopf. Julia und David bewerfen sich mit Kissen. Sie wirft ihm eines direkt ins Gesicht, er tut, als würde er umfallen, und kurz darauf ist sie über ihm. Sie sehen sich in die Augen und ihre Münder treffen sich … Ich verdränge die Bilder so gut es geht, aus meinem Kopf. Denke an Davids zärtliche Stimme, daran, wie er mir »Ich liebe dich« ins Ohr geflüstert hat, als wir zuletzt zu zweit allein waren.
    Erst am Abend kommt die erste Meldung vom Tischtennis-Wochenende. Romi, das Oberlästermaul aus unserer Clique, hat neue Fotos gepostet. Ich klicke sie an.
    Auf dem ersten sitzen sie ganz nahe zusammen auf einem Fensterbrett – Julia und David. Mein Herz beginnt sofort schneller zu schlagen, aber ich versuche mir einzureden,dass das ganz harmlos ist. Natürlich klicke ich mich durch die Bilder. Und komme schließlich zu dem, was ich befürchtet habe. Bilder, auf denen Julia und David sich küssen, Händchen halten, knutschen. Ich vergrößere die Bilder, nicht um mich zu quälen, sondern um ganz sicherzugehen. Und kann mir keinen Reim machen. Das ist doch kein seltsames Spiel, das ich nicht verstehe, oder ein Streich, um mich zu ärgern? Schließlich waren wir doch gerade noch zusammen, David und ich.
    Ich kaue an der Haut meines Zeigefingers und lade die Seite immer wieder neu. Schon wenige Minuten später erscheinen die ersten Kommentare. Leute zweifeln die Echtheit an. Gratulationen, Sprüche, dass es endlich Zeit ist, dass das ja seit Langem fällig ist …
    Auch doofe Bemerkungen von irgendwelchen Jungs, ob sie ihn schon an ihre Titten … Mir wird übel. Ich sitze einfach nur da und die Zeit ist nicht mehr so wie immer. Sie verläuft langsamer und schneller zugleich. Mein Finger rubbelt nur immer wieder über die Maus, wenn der Bildschirm schwarz wird, drückt unermüdlich auf Neu laden. Bis endlich eine private Message auftaucht – eine von Julia.
    Sorry. Ich wollte nicht, dass du es auf diese Weise erfährst. Aber du kennst ja Romi, die Zicke. Aber David und ich haben einfach gemerkt, dass wir zusammengehören. Ich hoffe, du kannst mir irgendwann verzeihen? Ist Freundschaft nicht wichtiger als Jungs? Julia, *zerknirscht*.
    Wenn Freunde wichtiger sind als Jungs, warum lässt sie dann die Finger nicht von meinem Freund? Ich warte auf eine Nachricht von David selbst. Das ganze Wochenende lang. Ich will einfach nicht glauben, dass er sich nicht meldet. Dass sich nur der Beziehungsstatus auf seiner Site ändert, dass er meinen Namen löscht und ihn durch »Julia« ersetzt.
    Ich warte darauf, dass irgendwas passiert, dass ich zu heulen anfange vielleicht. Mein erster richtiger Freund, der, mit dem »es« passieren sollte, mit dem ich noch gestern … Und ich erfahre es über Facebook.
    Aber da ist nichts. Außer einer Art innerer Taubheit, als wäre alles eingeschlafen, alles um mich herum im dicken Nebel versunken.
    Ich versuche herauszufinden, was es ist. Schmerz? Trauer?
    Aber das erste Gefühl, das sich durch den Nebel drängt, ist Sehnsucht.
    Zuerst nach dem Apfelkuchen meiner Oma, nach dem Tischchen mit der Schublade, in der sie immer Stifte und Papier aufbewahrt hat, nur für mich ganz allein. Sehnsucht nach dem Summen ihrer Nähmaschine und ihrer Welt, in der die Kissen Spitze tragen und in der ich in Ordnung bin, wie ich
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