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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert
Autoren: Merle Robert
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einmal nahm er eine versonnene und gleichsam traumverlorene Miene an, er, der doch sonst alles andere war, und wandte sich wie geblendeten Auges an seinen Kanzler.
    »Herr Kanzler, was meint Ihr, soll ich glauben, daß ich bin, wo ich bin?« fragte er.
    »Sire«, sagte der Kanzler, »ich glaube, Ihr könnt nicht daran zweifeln.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Henri, »je mehr ich es bedenke, desto mehr staune ich.«
    Und nun machte er sich mit dem Gefolge seiner Herren und seiner Garde auf den Weg durch die Grand’rue Saint-Honoré, ganz langsam freilich, denn immer mehr Pariser traten aus ihren Häusern, ihn zu sehen, sammelten sich in großer Zahl auf |450| seinem Weg, und so mancher näherte sich sogar seinen Steigbügeln, küßte seine Füße und sein Pferd.
    »Es lebe der König!« rief alles voll Freuden, »es lebe der Frieden! Es lebe die Freiheit!« und anderes der Art, und die guten Leute lachten, weinten, tanzten und küßten einander, während noch immer derselbe Nieselregen vom verhangenen Himmel fiel, der mittlerweile schmutziggrau geworden war. Doch nie wurde ein trüberer Tag mit größerem Jubel begrüßt.
    Wie zur Steigerung des fröhlichen Lärmens und Vivatgeschreis hoben alle Pariser Kirchenglocken auf einmal zu läuten an, was ziemlich überraschte, waren die Pfarrer dieser Kirchen doch zumeist Ligisten. Es mußten also etliche Gemeindemitglieder die Gelegenheit, ihre lästige Bevormundung abzuschütteln, genützt und sie dazu gezwungen haben.
    Die Freude der Stadt schäumte über, als der Zug von der Notre-Dame-Brücke nach rechts abbog und es somit klar wurde, daß der König sich zur Messe in die Kathedrale begab. Noch niemals glaubte ich Derartiges gehört zu haben, so ohrenbetäubend brandete der Jubel.
    »Ich sehe«, sagte laut der König in die tosenden Hochrufe hinein, »wie dieses arme Volk tyrannisiert worden ist.«
    Als er auf dem Vorplatz der Kathedrale absaß, wurde er von der Menge so umdrängt, daß er von ihr buchstäblich emporgetragen wurde. Seine Gardehauptleute sahen es und wollten ihn befreien.
    »Laßt! Laßt!« sagte der König. »Ich glaube, sie hungern danach, einen König zu sehen.«
    Was mich betraf, der nicht gerne »gezwungen ging«, wie wir unter Heinrich III. sagten, jedenfalls nicht, wenn es sich vermeiden ließ, so verließ ich den Zug auf dem Vorplatz und suchte nicht ohne Mühe, immer dicht von Monsieur de La Surie gefolgt, einen Ausweg aus dem frenetischen Gedränge. Ich wollte nach Hause und ein wenig Toilette machen, um mich den Lothringer Fürstinnen in meiner wahren Gestalt zu zeigen.
    Pissebœuf und Poussevent traf ich daheim nicht an, kein Verbot hätte sie abhalten können, sich unter die Schaulustigen zu mischen, Héloïse und Lisette aber hatten sich nicht hinausgewagt, aus Furcht, wie Héloïse sagte, von Taugenichtsen belästigt zu werden, die sich stets in großen Volksaufläufen herumdrückten, um Börsen zu schneiden oder Jungfern auf den Leib zu |451| rücken. Und weil es Monsieur de La Surie und mich nach dem Bad in der Menge uns selber zu baden verlangte, hießen wir unsere beiden Mägde die Zuber füllen und uns den Rücken schrubben, was nicht ohne Spaß und Lachen abging und mich an die Zeiten auf Mespech erinnerte, als Barberine Samson und mich vor großem, loderndem Feuer wusch.
    »Wahr und wahrhaftig, Herr!« sagte Héloïse, »dieser König ist ein guter König! Als er durch die Grand’rue Saint-Honoré kam und sah, wie ein Soldat in einer Bäckerei ein Brot rauben wollte, wurde er so zornig, daß er hinlief und ihn fast erschlug.«
    »Er konnte gar nicht hinlaufen«, sagte La Surie, »er war zu Pferd.«
    »Woher weißt du das, Héloïse?« fragte ich. »Du warst doch nicht aus dem Haus?«
    »Die Nachbarin hat es erzählt.«
    »Ja, und es heißt«, schloß Lisette an, die auch ihren Vers loswerden wollte, »daß in einem Eckhaus beim Innozentenfriedhof ein Kerl an seinem Fenster stand, mit dem Hut auf dem Kopf, und ganz frech und stumm den König anstarrte, einige wollten ihn dafür bestrafen, aber der König verbot es ihnen und sagte lachend, wenn das dem Mann Vergnügen mache, wolle er es ihm nicht nehmen.«
    »Miroul«, sagte ich auf okzitanisch, »du wirst sehen, bevor es Abend ist, haben die Leute dem König hunderterlei Sprüche zugeschoben, von denen er sich nie etwas träumen ließ.«
    »Und hunderterlei Wundertaten«, sagte La Surie.
    »Herr«, beschwerte sich Lisette, »daß Ihr mit Miroul doch immer in Eurer Provinzlersprache
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