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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert
Autoren: Merle Robert
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eingenickt war, und er setzte seine schwankende Masse die Wendeltreppe hinab in Bewegung, wobei er sich mehrmals um ein Haar das Genick gebrochen hätte.
    »Tronson«, fragte Langlois, ein kleiner, dürrer und entschiedener Mann, »seid Ihr auf unserer Seite?«
    »Von ganzem Herzen«, sagte Tronson.
    »Und die da?«
    »Die auch.«
    »Und Eure Leute?«
    »Meine Leute tun, was ich ihnen sage«, versetzte Tronson großmäulig.
    »Dann sagt ihnen, sie sollen das Tor entriegeln, es öffnen und die Zugbrücke niederlassen.«
    »Wer befiehlt das?« fragte Tronson erschrocken.
    »Ich, Langlois, außer mir L’Huillier, Vogt der Kaufleute, und Brissac, Gouverneur von Paris. Reicht das? Oder muß ich Euch festnehmen und hängen lassen?«
    »Herr Schöffe«, erwiderte Tronson mit einem Rülpser, »ich kenne meine Herren und gehorche ihnen.«
    Hierauf zog er aus seiner Hosentasche einen großen Schlüssel, ohne den wir das massive Eichentor schwerlich hätten öffnen können, es sei denn, wir hätten es mit Brandsätzen gesprengt, womit wir uns freilich die spanische Garnison auf den Hals geholt hätten. Besagten Schlüssel schwingend, schaukelte mein Tronson wie ein Truthahn zum Tor, und obgleich wir alle stumm waren wie die Karpfen, schien mir, daß sich das Schweigen noch verdichtete, als der Riegel gespenstisch leise im Schloß knirschte.
    »Sind die Angeln geölt?« fragte Langlois.
    »Jawohl«, sagte Tronson, »auf Befehl von Monsieur de Brissac.«
    »Und die Ketten der Zugbrücke?«
    »Auch.«
    »Alsdann, los.«
    |444| Die Nacht wäre hell gewesen ohne den Nebel, der in dichten Schwallen niedrig über der Erde wallte und sich zuweilen in feines Nieseln auflöste, das einem die Haut netzte, ohne daß man es groß spürte. Ich brauche heute nur die Augen zu schließen und in mich zu schauen, schon fühle ich auf meinem Gesicht wieder dieses seltsame Prickeln samt jenem Warten und Bangen, in welchem diese etwa dreißig bewaffneten Männer aller Stände verharrten: einfache Arbeiter, Handwerker, Kaufleute oder betuchte Amtsbürger wie L’Etoile, alle schweigend und zum Tod entschlossen, um den Spanier aus den Mauern zu verjagen und den König einzulassen.
    Von Händen bewegt, die ich nicht sah, gingen in vollkommener Stille die beiden Torflügel auf. Mit aller Langsamkeit rollten die Ketten ab, lautlos senkte sich die Brücke über den Graben, und Paris öffnete sich bei Nacht dem König wie eine Frau.
    In den folgenden Minuten stießen noch zwei Gruppen mit weißer Schärpe zu uns, jede an zwanzig Mann stark, so daß wir jetzt zusammen gute sechzig waren, allesamt bewaffnet und entschlossen.
    »Tronson«, sagte Langlois in knappem Ton, »gib deine Laterne dem Kameraden mit der Uhr an der Halskette und sag ihm, er soll zu mir kommen.« Sowie ich die Laterne in Händen hielt, trat ich zu Langlois, der mich musterte.
    »Wie heißt du, Gevatter?«
    »Coulondre, Tuchhändler aus Châteaudun. Ich wohne in der Rue der Filles-Dieu, im Viertel gleichen Namens.«
    »Wie spät hast du es?«
    »Vier Uhr«, sagte ich, indem ich einen Strahl der Laterne auf meine Uhr richtete.
    Kaum hatte ich es gesagt, schlug es von der Filles-Dieu-Kirche.
    »Gehen wir«, sagte Langlois und eilte in raschen, kleinen Schritten der Zugbrücke zu, während ich an seiner Seite einen Schritt machte, wo er zwei brauchte, und ihm zu leuchten versuchte, was schwierig war, weil man keine zwei Klafter weit sah. Nicht daß die Nacht finster gewesen wäre, aber, wie gesagt, Ballen weißen Nebels, die dicht überm Boden trieben, versperrten uns jede weitere Sicht, so daß man kaum rechts und links die Bordsteine der gepflasterten Straße nach Saint-Denis erkannte, die ich, wie der Leser sich erinnern wird, schon einmal |445| genommen hatte in jener eisigen Nacht, die dem Chevalier d’Aumale den Tod brachte.
    »Langsam«, sagte Langlois und legte mir die Hand auf den Arm.
    Ich hielt inne, hob die Laterne, und beide, mit nebelfeuchtem Gesicht, sperrten wir die Augen auf und spannten stumm das Ohr, ohne in dieser weißlichen Wolle irgend etwas vor uns zu erkennen und ohne andere Geräusche zu vernehmen als das eigene Herzklopfen.
    »Sie müßten schon da sein«, sagte Langlois.
    »Vielleicht hat der Nebel sie aufgehalten.«
    »Warten wir«, sagte er.
    Und obschon besagtes Warten nur Minuten währte, dünkte es mich doch eine Ewigkeit. Am Ende schien es mir, als ob in dem Nebelweiß etwas noch Weißeres auftauchte, das, faßte man es scharf ins Auge, wie hell glänzend
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