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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert
Autoren: Merle Robert
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verhielten.
    Dies alles weiß ich von Rosny. Doch wie es weiterging, Leser, das zu erschnüffeln oblag wieder einmal Pierre de L’Etoile in Paris, der in diesen schwierigen Tagen wahrhaftig mein Auge und Ohr in der Hauptstadt war.
    |437| »Brissac«, sagte er, als er mich in meinem Haus in der Rue der Filles-Dieu besuchte, wie er es mindestens einmal am Tag zu tun pflegte, ob ich nun daheim war oder nicht, »war sich sehr wohl im klaren, mein lieber Pierre, daß seine Abwesenheit seit drei Uhr nachmittags bei den Ligisten Verdacht erregt hatte. Und sowie er mit Huf und Fuß wieder auf Pariser Pflaster anlangte, begab er sich eilends zum Legaten, warf sich, heiße Tränen vergießend, vor ihm nieder und bat unterwürfigst um Vergebung für die schwere Sünde, sich mit den höllischen Ketzern ins Benehmen gesetzt zu haben. Was er, sagte er, nur mit schrecklicher Gewissenspein getan habe und einzig und allein, weil es dabei um seine ganze Habe ging. Gerührt von seinen Reuetränen, erteilte der Legat ihm sogleich Absolution. Und als der hiernach mit dem Herzog von Feria zu Abend speiste …«
    In dem Moment trat Lisette mit einem Tablett herein, darauf eine Flasche und drei Becher, L’Etoile verlor den Faden, weil er seine Augen an die Kleine heftete und jede ihrer Bewegungen verfolgte, während sie uns den Wein kredenzte …
    »Wo war ich stehengeblieben?« fragte er, als Lisette mit einem stillvergnügten Lächeln den Raum verließ.
    »Ihr wart beim Abendessen«, sagte ich, »beim Abendessen des Legaten und des Herzogs von Feria.«
    »Welchem der Legat große Lobreden hielt auf Brissac und seine Frömmigkeit und Demut in höchsten Tönen pries. ›Ja‹, meinte der Herzog von Feria, ›Monsieur de Brissac ist ein vortrefflicher Mann und der Kirche sehr gehorsam. Ich habe ihn stets als solchen gekannt. Damit er tue, was man will, braucht man sich nur seines jesuitischen Beichtvaters zu bedienen, der alles über ihn vermag, geradezu wie eine Mutter über ihr Neugeborenes.‹ – ›Vielleicht‹, sagte der Legat lächelnd, ›weil der Graf nie ganz den Kinderkleidern entwachsen ist.‹«
    »Mein lieber L’Etoile«, sagte ich, indem ich einen Blick auf meine Uhr warf, »widmet Euch ohne Hast Eurem Wein und fühlt Euch in den kommenden Stunden wie zu Hause. Monsieur de La Surie und ich sind mit Tronson verabredet. Wir wollen ihn nicht versetzen.«
    Wir fanden »Hauptmann« Tronson in seiner Werkstatt, wo er, die mächtigen Arme müßig über dem Bauch verschränkt, seine Gesellen überwachte, deren Zahl deutlich abgenommen hatte.
    |438| »Gevatter«, sagte er, »wenn es Euch beiden beliebt, so haltet diesen Montag mit mir Wache an der Porte Saint-Denis und bringt eine oder zwei Flaschen mit, auf daß wir uns die Nacht verkürzen und nicht in Schwermut fallen, bin ich dazu doch allzu geneigt, seit ich die Hälfte meiner Leute entlassen mußte, mangels Kundschaft.«
    »Die Hälfte?« fragte ich.
    »Ihr hört es. Der Frieden, Gevatter, der Frieden! Das ist es nun, was einem der Frieden einbringt! Während der Belagerung sind alle Alten zum Herrn gegangen, die einen vom Hunger dahingerafft, die anderen von der Fieberseuche. Die letzte große Schlacht, die wir hatten, war jene, wo d’Aumale in Saint-Denis draufging, das ist lange her, und was haben wir heute? Wären nicht die Frauen, die im Kindbett sterben, und die kleinen Kinder – uns bliebe nichts weiter übrig, wie den Laden dicht zu machen. Und auch das ist nur geringe Kundschaft. Der Ehemann, der in seinem Testament festlegt, daß er in Eiche begraben sein will, begräbt seine Frau in Fichte, und wenn ich es ihm vorhalte, sagt er, dies sei nun seine dritte oder vierte Frau, er könne sich doch für so zarte Weiber nicht ruinieren, die schon beim dritten Kind sterben. Was soll man da sagen? Und wo ist die schöne Plünderei in den Häusern der ›Politischen‹ hin, die uns d’Aumale und die ›Sechzehn‹ versprochen hatten? Ha, die ›Politischen‹! Wer würde heute wagen, sie anzutasten?«
    So trieb mein dicker Pariser Schreinermeister im Sturm dahin, doch ohne unterzugehen, denn er war in seinem Credo wenig festgelegt, falls er überhaupt je eins hatte.
    Am Montag also, dem 21., hielten Monsieur de La Surie und ich mit meinem Gevatter Schreinermeister die Nachtwache an der Porte Saint-Denis. Und nachdem er eine der drei Flaschen, die wir mitgebracht hatten, fast allein geleert hatte, erbaute er uns neuerlich mit einem Muster seiner Beredsamkeit, als ich ihn
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