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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert
Autoren: Merle Robert
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hineinkäme und wieder heraus. Aber darf ich Paris denn guten |435| Gewissens verlassen, um Monsieur de Saint-Luc zu besuchen? Ich glaube nicht. Mein Beichtiger, ein ehrwürdiger und sehr gelehrter Jesuitenpater, der vielerlei weiß, was ich nicht weiß, hält die Bekehrung des Königs von Navarra für null und nichtig und seine Weihe für Anmaßung. Der König von Navarra ist demgemäß nach wie vor ein rückfälliger Ketzer, und wer immer ihm dient oder sich ihm nähert, ist
ipso facto
exkommuniziert. Und dieses grausame Los«, setzte er gesenkten Auges und in devotem Ton hinzu, »möchte ich doch nicht teilen, denn mein Seelenheil geht mir über alle irdischen Güter. Zwar könnte ich für diesen Besuch einen Dispens des päpstlichen Legaten erbitten, aber weiß ich denn, ob er ihn mir erteilen würde? Und vor allem, ob nicht bereits mein Ersuchen ungerechtfertigte Zweifel an meiner unerschütterlichen Loyalität gegenüber der Kirche und der Heiligen Liga erwecken könnte?«
    Und nachdem er mir dieses entschlossene Nein mit einer Eleganz der Sprache entgegengestellt hatte, die der unbedarften Miene, die er dabei aufsetzte, widersprach, machte Monsieur de Brissac etwas Merkwürdiges: Anstatt mir den königlichen Paß zurückzugeben, der ihn doch so nutzlos dünkte, steckte er ihn in sein Wams.
     
    Schöne Leserin, da ich mir gern vorstelle, daß bei Ihnen Wort und Herz stets in getreuem Einklang sind, befürchte ich, daß Sie beim Lesen des Voraufgegangenen keine allzu gute Meinung von Graf Brissac gewonnen haben, fanden Sie ihn doch scheinheilig, gerieben, hinterhältig und trotz seiner schönen Worte ganz auf seinen Eigennutz bedacht. Sollte der Mann hingegen durch schönen Schein und durch den Honig, mit dem er nicht geizte, Ihre Sympathie erworben haben, könnte ich Sie gar nicht genug vor dem Pferdefuß warnen, den seine spanischen Stiefel verbargen. Gott sei Dank aber handelt es sich nicht um Ihre zarte Person, sondern um Staatsaffären, und da herrschen andere Bräuche.
    Wenn Sie einräumen, daß die Wege des Herrn unerforschlich sind, werden Sie mir auch zugestehen, daß die Werkzeuge, deren Er sich zu seinen Zwecken bedient, mitunter durchaus nicht die lautersten sind. König Ludwig XI. war gewiß der größte Heuchler der Schöpfung, und doch sind wir uns heute alle darin einig, daß die guten politischen Wirkungen dieses |436| häßlichen Fehlers zu loben sind. Da es sich um Königreich und König dreht, wage ich Sie um die gleiche Duldsamkeit für Graf Brissac zu bitten. Dort, wo Belin auf Grund seiner Tugenden scheiterte, reüssierte Brissac auf Grund seiner Laster, und zwar ohne Weh und Ach, und ohne Blutvergießen. Das war kein geringes Verdienst. Und wenn Sie sich vorstellen, schöne Leserin, welches bewundernswerte Zusammenspiel aus Vorsicht, Trug und List vonnöten war, um die Pfaffen, die »Sechzehn«, den Herzog von Feria und den päpstlichen Legaten, alles wache und höchst argwöhnische Leute, zu täuschen, werden Sie schließlich zugestehen müssen, daß es dazu schon der jesuitischen Gerissenheit eines Brissac bedurfte.
     
    Später erfuhr ich, daß der Graf in seiner schlangengleichen Schläue sich über meinen Besuch, meine Rolle, über die Echtheit des Briefes von Monsieur de Saint-Luc wie auch über die Absichten des Königs etliche Fragen gestellt hatte, sogar die, ob Seine Majestät ihn nicht aus den Mauern locken wolle, um ihn gefangenzunehmen. Weshalb er mir jenes entschiedene Nein samt seiner unerschütterlichen Treue zur Liga entgegengehalten und mich mit Weihwasser besprengt hatte. In der Tat aber wartete er nicht einmal ab, bis er sich mittels eigener Agenten versichert hatte, daß Monsieur de Saint-Luc ihn in guter Gesinnung zu sehen wünschte, um zu dem Treffen zu eilen.
    Was er am 14. März tat, um drei Uhr nachmittags, indem er Paris durch die Porte Saint-Denis zu Pferde verließ, im Geleit drei Advokaten auf schweren Gäulen. Diese, die Advokaten meine ich, setzten sich mit den Vertretern von Monsieur de Saint-Luc zusammen, um über den Gegenstand der vorgeblichen Erbschaft zu verhandeln, während Saint-Luc seinen Schwager Brissac beiseite nahm und ihm bestätigte, was ich ihm hinsichtlich seines Marschallamtes versprochen hatte. Zusätzlich bot er ihm im königlichen Auftrag Vorteile in Geldeswert an, über die nie jemand etwas erfuhr, außer daß sie sich im Vergleich zu jenen, die Monsieur de Vitry gemacht worden waren, wie die Steuersumme von Paris zu der von Meaux
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