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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert
Autoren: Merle Robert
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munden als süßeste Frucht dieses Tages.
    Nach dem Herzog kamen die wallonischen Kompanien, gegen die niemand etwas hatte, und alle hätten das Interesse an dem Schauspiel verloren, wäre nach den Wallonen, noch vor dem Troß der Weiber und Marketenderinnen, welche die Soldaten für gewöhnlich hinter sich her schleppen, nicht ein Zug von vierzig bis fünfzig Mönchen und Pfaffen gekommen, die offensichtlich kein Vertrauen in die Milde des Königs setzten – maßen sie doch mit der Elle ihres eigenen Fanatismus – und sich lieber ihren spanischen Herren anschlossen, um aus Paris zu fliehen. Sie wurden von der Menge verlacht und beschimpft. |454| Doch plötzlich schwollen Hohn und Wut himmelhoch, als man zwischen den Flüchtigen Boucher entdeckte, der mit seinen Predigten ganz Paris zum Zittern gebracht und vermutlich auch die Hinrichtung von Gerichtspräsident Brisson angestiftet hatte.
    »He, Boucher!« riefen die noch am wenigsten Boshaften, »fliehst du den Strick, oder folgst du den Dublonen?«
    Es war nicht einfach, sich einen Weg durch die dichtgedrängten Menschenmassen zu bahnen, und vielleicht wäre ich daran verzweifelt ohne La Surie, der als großer Bummler und Stadtkundiger Paris und seine Gassen so gut wie kein zweiter kannte, so daß ich tatsächlich um Punkt fünf Uhr vorm Hôtel Montpensier stand. Weil ich vom König kam, wurde ich auch sogleich zur Hinkefuß vorgelassen, die mit zerwühlten Haaren, halboffenen Kleidern und Furienaugen hin und her rannte und den Fußboden schon mit mehreren zerbissenen Taschentüchern übersät hatte.
    »Was will der König von mir?« heulte sie. »Sich daran weiden, wie ich leide? Mich verbannen? Mich in die Bastille sperren? Mir den Kopf abschlagen wie der armen Maria Stuart? Himmel, das überlebe ich nicht! Franz, ich befehle dir, nimm den Dolch hier und stoß ihn mir in die Brust!«
    Ich wagte zu bezweifeln, daß dieser Befehl, der mich schiere Rhetorik dünkte, dem guten Franz so sehr mißfiel, wie seine stumme Miene es auszudrücken schien. Doch er rührte sich nicht.
    »Madame«, sagte ich, »es besteht gar keine Notwendigkeit, zum Äußersten zu greifen. Der König kommt, um Euch zu vergeben und sich mit Euch zu versöhnen. Hätte er Euch während der Belagerung denn verproviantieren lassen, wenn er Euch so feindlich gesinnt wäre? Seid Ihr nicht seine Verwandte? Und ist er nicht der wohlwollendste Mann der Welt? Hat er Königin Margot nicht leben lassen, obwohl sie ihn vergiften wollte?«
    Ich glaube, daß ich sie zu überzeugen vermochte. Doch weil sie an ihrem Haß nun einmal hing, der ihr so viele Jahre Daseinsgrund gewesen war, und sie ihre wütende Lava nicht mehr über den König ergießen konnte, weil er ihr verzieh, wandte sie sich nun gegen Brissac.
    »Ha, dieser Brissac!« schrie sie flammenden Auges, »wenn ich den in die Finger bekomme! Die Schielaugen kratze ich |455| ihm aus! Ha, dieser Schuft! Dieser Verräter! Paris auszuliefern, das mein Bruder Mayenne ihm zu verteidigen gab! Daß er ein Schlappschwanz war, das wußte ich lange. Aber ein Gauner? Wer hätte das gedacht!«
    Ich entzog mich der Feuersbrunst, indem ich meinen Urlaub erbat, und zu Madame de Nemours eilte, der ich jedoch nur durch ihren Majordomus ausrichten ließ, daß der König sie um sechs Uhr bei ihrer Tochter Montpensier zu sehen wünsche. Und dieselbe Nachricht ließ ich Madame de Guise durch Monsieur de La Surie überbringen, dann kehrte ich zum Hôtel Montpensier zurück, verhielt aber in genügendem Abstand davon, um ungesehen der Dinge zu harren. Derweise sah ich Monsieur de La Surie kommen, dann Madame de Guise in ihrer Karosse, dann Madame de Nemours in der ihren, und endlich Seine Majestät. Ich trat sogleich heran und raunte ihm ins Ohr, wie die Montpensier die Sache genommen hatte. Er aber lachte nur und befahl, ich solle ihn zur Hinkefuß begleiten, ebenso auch Monsieur de La Surie, der vor Glück errötete, daß der König sich seines Namens entsann.
    Die drei Fürstinnen warteten, aber, wie ich sah, in höchst unterschiedlicher Verfassung. Zwei von ihnen erträumten sich für ihre Söhne eine hohe Heirat, die dritte wußte nichts wie ihre Bitternis wiederzukäuen, bemühte sich indessen, es zu verbergen.
    Nachdem der König den dreien die Hand geküßt hatte, samt allen Komplimenten, mit denen er gegenüber Damen nicht geizte, nahm er auf ihre Bitte Platz.
    »Meine teuren Kusinen«, sagte er, »den Marquis de Siorac brauche ich Euch nicht vorzustellen, Ihr
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