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Parasiten

Parasiten

Titel: Parasiten
Autoren: Marina Heib
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Gesprächsführung zu ungeschickt. »Sobald wir Ihnen Genaueres sagen können,
was jetzt aus ermittlungstechnischen Gründen keinen Sinn macht, werden wir Sie
benachrichtigen. War Henning auch bei seinen Kollegen beliebt? Wissen Sie etwas
über Freunde, möglicherweise eine Freundin?«
    »Privat hatte ich nichts mit ihm zu tun. Allein schon der Altersunterschied
… Und ich war sein Chef. Aber alle hier mochten ihn. Er hat nie gemeckert, auch
wenn er Arbeiten erledigen musste, auf die meine Redakteure keinen Bock haben.
Er wollte lernen, hat alles in sich aufgesogen. Am besten hat ihn wohl Walter
Ramsauer gekannt, unser Ressortleiter Entertainment. Henning hat ihn zum großen
Vorbild erkoren und sich an ihn rangehängt. Ramsauer ist noch einer von der
alten Schule, war früher sogar mal beim Spiegel.«
    »Können wir Herrn Ramsauer bitte kurz sprechen?«
    »Bedaure. Der ist für ein halbes Jahr in Elternzeit. Und soweit ich
weiß, im Moment mit Frau und Kind verreist.«
    George vergewisserte sich bei seiner Sekretärin, dass er recht
hatte. Ramsauer war irgendwo in Österreich, bei seinen Eltern. Auf einer Alm,
wo es nicht mal Handyempfang gab, wie Ramsauer vor seiner Abreise fröhlich
verkündet hatte. Auch keiner der Kollegen wusste, wo genau Ramsauer herkam. Für
sie war Österreich ein schwarzes Loch, das Mozartkugeln und Medienschaffende
ausspuckte und ein paar passable Skipisten bot.
    »Hatte Henning hier einen eigenen Arbeitsplatz?«, fragte Christian
weiter.
    »Natürlich. Unsere Volontäre schreiben, die sind nicht zum Kaffeekochen
da.«
    Volker erhob sich. »Ich würde mir gerne seine Dateien auf einen
Stick kopieren, wenn das möglich ist.«
    George rief seine Sekretärin, damit sie Volker zu Hennings Computer
brachte.
    »Gibt es ein Passwort?«, wollte Volker wissen.
    George lächelte: »Wir sind eine Tageszeitung, keine Polizeibehörde.
Bei uns braucht jeder jederzeit Zugang zu allem. Wir lüften Geheimnisse, wir
hüten sie nicht.«
    Volker ging mit der Sekretärin hinaus.
    »Wissen Sie, an was Henning in letzter Zeit gearbeitet hat?«, fragte
Christian.
    »Leserbriefe beantworten, Kurzmeldungen aus den Stadtteilen … Warum
fragen Sie?«
    »Wir haben Grund zu der Annahme, dass er etwas wusste. Oder etwas
gehört oder gesehen hat, was er nicht sollte. Sein Zimmer ist durchwühlt
worden, der Laptop ist weg.«
    Georges Aufmerksamkeit war geweckt, sicher auch aus beruflicher
Neugier. Doch er bedauerte: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es etwas mit
seiner Arbeit hier bei der Morgenpost zu tun haben kann. An investigativen
Themen sind unsere Volos selten beteiligt.«
    »Haben Sie denn zurzeit ein heißes Eisen im Feuer?«
    »Ein brandheißes!« George grinste. »Eine fünfköpfige Bürger-Ini
kämpft um eine alte Eiche, die wegen eines Bauprojekts gefällt werden soll.«
    Christian erhob sich und reichte George die Hand. »Dennoch vielen
Dank für Ihre Zeit.«
    Auch George erhob sich: »Sie halten mich auf dem Laufenden?«
    »Soweit das möglich ist.«

 
    Appen.
    Anna Maybach, Psychologie-Dozentin an der Hamburger Universität
und Lebensgefährtin des Kommissars Christian Beyer, gab ihren Mantel an der
Garderobe ab, strich sich die neue Bluse glatt und schaute ins Beiheft. Es
standen Stücke für Klavier und Violine von Antonín Dvořák, Edvard Grieg und Anton Webern auf dem
Programm. Anna freute sich auf das Konzert, sie bedauerte nur, dass Christian
nicht hatte mitkommen können. Er steckte mitten im Fall des jungen, ermordeten
Journalisten, und wie sie wusste, waren die ersten achtundvierzig Stunden
häufig entscheidend für den Ermittlungserfolg. Aber Christian benutzte die
Arbeit auch gern als willkommene Ausrede: Er war eher der Rolling-Stones-Typ,
hörte zwar gelegentlich klassische Musik, verabscheute jedoch das steife
Gebaren der Klassik-Konzert-Besucher mit ihren ernsten Mienen und verhaltenem
Gehüstel.
    Anna sah sich im Saal des Appener Bürgerhauses um. Er war schon fast
komplett besetzt, sodass auch sie zügig auf ihren Platz ging. Die in schwarze
Spitze gehüllte alte Dame neben ihr war in die Biografien der Künstler
vertieft, die im Programm abgedruckt waren. Anna musste sie nicht lesen, sie
hatte Sofia Suworow und Danylo Savchenko schon einmal zusammen spielen sehen
und wusste einiges über die Musiker: Sofia Suworow war Mitte zwanzig und kam
aus Moldawien. Sie und der etwas jüngere Savchenko hatten sich an der staatlichen
Musikschule Moskau kennengelernt. Als Wunderkinder gefeiert
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