Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Parasiten

Parasiten

Titel: Parasiten
Autoren: Marina Heib
Vom Netzwerk:
antwortete: »Frau Suworow, ich bitte Sie! Was sollen wir mit
ihm gemacht haben? Herr Savchenko sagt nicht ab, er taucht nicht auf, er meldet
sich nicht … Die Geschädigten sind eindeutig wir! Und dann spielen Sie auch
noch dermaßen unter Niveau, dass ich mich als Künstlerischer Leiter geradezu
schämen …«
    Jensens Beschwerde wurde unterbrochen von einem lauten Klatschen.
Anscheinend hatte die Suworow ihm eine gescheuert. Jensen verlor nun ebenfalls
die Beherrschung und begann zu schreien, doch außer wüsten Schimpfwörtern
konnte Anna nichts mehr verstehen, denn ein Mann kam in den Flur, sah Anna
abweisend an und schloss die Tür zum Bühnenaufgang mit einer deutlichen Geste.
    Anna ging zur Garderobe, wo ihr Mantel einsam und von keiner
Garderobiere mehr beaufsichtigt auf einem Haken hing. Sie nahm ihn und verließ
das Gebäude.
    Als sie nach Hause kam, schlief Christian schon. Anna kleidete sich
aus und legte sich dazu. Was für ein blöder Abend, dachte sie. Es dauerte eine
Weile, bis auch sie einschlief.

 
    4. April 2010
Hamburg.
    Christian stand um sieben Uhr auf. Anna lag im Tiefschlaf,
er weckte sie nicht, duschte, nahm ein karges Frühstück im Stehen zu sich und
ging ins Büro. Der Spaziergang vom Generalsviertel, wo er seit einigen Jahren
mit Anna ihre kleine Stadtvilla bewohnte, entlang des Kaifu-Ufers bis zum Schanzenviertel
tat ihm gut. Die klare frühmorgendliche Luft und die Monotonie des
Schritt-vor-Schritt-Setzens halfen ihm, seine Gedanken zu sortieren. Der Mord
an Henning Petersen warf bislang nur Rätsel auf. Die Art und Weise der Durchführung
ähnelte Racheakten oder Strafaktionen aus dem Milieu krimineller Banden. Das
Opfer jedoch passte nach bisherigen Erkenntnissen weder in das Umfeld, noch gab
es eine ersichtliche Verbindung dazu. Sie waren noch weit von der Lösung
entfernt.
    Wie immer bei einem aktuellen Fall trafen sich die Mitglieder der
Soko am Morgen zur Konferenz. Christian legte allergrößten Wert auf diese
Gesprächsrunden, auch wenn es keine Neuigkeiten gab. Möglicherweise war einer
von ihnen über Nacht auf eine Idee gekommen, hatte einen Aspekt gesehen oder
eine Version entwickelt, die auf den ersten Blick absurd schien, vielleicht
aber in eine neue Denkrichtung führte und irgendeinen Schleier lüftete.
    Wie immer eröffnete er die Konferenz mit der Frage: »Was haben wir?«
Während Yvonne frischen Kaffee einschenkte und Croissants für alle verteilte –
außer für ihren speziellen Liebling Daniel, der bekam zwei frische Brötchen mit
Metzgermarmelade, also Mett mit Zwiebeln – sortierten alle ihre Notizen.
    »Eine Leiche, männlich, 27 Jahre. Name Henning Petersen. Wohnhaft in
einer Zweier-WG in Ottensen. Beruf: Volontär bei der Hamburger Morgenpost«,
begann Herd mit den bekannten Fakten.
    Volker übernahm: »Todeszeitpunkt vorgestern zwischen 15 und 16 Uhr.
Todesursache laut Karens Bericht der Kopfschuss. Kaliber 32, aus einer
Entfernung von unter einem Meter abgefeuert. Zwei vor dem Tod abgetrennte
Finger, vermutlich mit einer Art Gartenschere oder Bolzenschneider. Post mortem
abgetrennte und zerteilte Zunge, gleiches Werkzeug. Das Opfer war zu Lebzeiten
kerngesund, seinem Alter entsprechend. Keine Drogen nachweisbar. Keine an der
Leiche ersichtlichen Kampfspuren. Das Opfer wurde entweder überrascht, war in
Schockstarre, oder kannte den Täter.«
    Karen Kretschmer, die den von Volker zitierten Bericht abgeliefert
hatte, war eine Hamburger Rechtsmedizinerin, die seit Jahren mit der Soko
zusammenarbeitete. Christian verließ sich absolut auf ihre Fachkenntnis und auf
ihr Gespür für die physiologischen und psychologischen Besonderheiten von
Tötungsarten, soweit sie sich am Körper des Opfers manifestierten. Im Gegensatz
zu ihren Kollegen beschränkte sie ihre Arbeit nicht auf den Seziertisch,
sondern kam, wenn es ihre Zeit zuließ, auch zum Tat- oder Fundort, um sich ein
Bild von der Auffindesituation zu machen. Christian schätzte sowohl ihren
anderen Blickwinkel als auch ihre schon fast beängstigende Intelligenz.
    »Henning Petersen wurde in Itzehoe als einziger Sohn einer Arbeiterfamilie
geboren.« Nun kam Daniels Part. »Grundschule, Gymnasium in Itzehoe, alles ohne
Auffälligkeiten, es sei denn, man will ein Mal Autofahren mit 19 unter Drogeneinfluss,
wir reden hier von Gras, als Auffälligkeit verbuchen. Wollen wir nicht. Gutes
Abi, dann Zivildienst, dann Studium von Germanistik und BWL. Nach dem Studium
Volontariat bei der Mopo. War bei Facebook,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher