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Parasiten

Parasiten

Titel: Parasiten
Autoren: Marina Heib
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was
Schräges?«
    Anna legte ihre Füße in Christians Schoß. »Kokain, Amphetamine oder
Alkohol bis zum Delirium sind ein häufiger Auslöser. Sofia wurden in den
Bordellen jede Menge Drogen verabreicht. Außerdem passt ihre psychische
Befindlichkeit nach den ganzen Vergewaltigungen extrem auf diesen Wahn. Die
Finger und Schwänze der Männer, das Sperma, alles Fremdkörper, die in sie
eingedrungen sind und sie kaputt gemacht haben. Deswegen beginnt sie sofort
sich zu kratzen, wenn ein Mann in ihre Nähe kommt. Die permanente Demütigung
und die Scham haben sie sozusagen innerlich aufgefressen. Ich finde es immer
wieder erstaunlich, welche Wege die Psyche geht, um mit unerträglichem
Schrecken fertigzuwerden oder ihm auszuweichen. In diesem Fall hat sich Sofia
leider von einem Trauma ins andere begeben.«
    »Wieso hast du ihr gesagt, dass du mit der Ärztin wegen einer OP
redest? Das ist doch Blödsinn!«
    Christian begann, Annas Füße auf seinem Schoß zu massieren. Er
fürchtete, wenn er seine Hände nicht sinnvoll beschäftigte, würde er sich
überall kratzen müssen.
    »Damit sie Hoffnung schöpfen kann. Ihr wird ein Schlafmittel
verabreicht und hinterher erzählt, dass alle Insekten herausoperiert worden
sind. Dann kann man weitersehen. Sie fühlt sich erst mal ernst genommen, und
das ist außerordentlich wichtig. Diese Psychose ist vielschichtig und schwer therapierbar.
Du kannst einem Wahnkranken in der Regel nicht mit Vernunft beikommen. Seine
Überzeugungen sind unantastbar für ihn und damit nicht von außen korrigierbar.
Sie sind in ihrem Wahn gefangen, gequält von Juckreiz, Kribbeln, Kriechen,
Stechen, Beißen und dem Ekel vor dem, was mit ihnen passiert.«
    »Kann man ihr überhaupt helfen?«
    Anna nahm einen Schluck aus Christians Bierflasche. »Ein
langwieriger Prozess. Im Grunde muss sie sich selbst helfen. Sich ihren
Erlebnissen stellen und sie unter Verzicht auf ihren ablenkenden Wahn
verarbeiten. Jede psychische Krankheit hat einen Sinn, birgt einen Vorteil für
den Kranken. Sofia kann mit der Fixierung auf ihre Parasiten das verdrängen,
was ihr wirklich passiert ist. Menschliche Parasiten, die sie befallen haben.«
    Christian nahm Annas Füße von seinem Schoß, ging zur Terrassentür
und sah hinaus. »Drüben spielen die Kinder von Herrn und Frau Mergenthaler.
Müssen die kleinen Racker nicht bald mal ins Bett?«
    Anna lächelte. Auch Christians Psyche suchte gerade einen Ausweg aus
dem Konflikt, mit dem er haderte. Er hatte Sofia nicht einsperren wollen. Weder
im Gefängnis noch in der Psychiatrie. Anna wusste, dass er sie am liebsten
persönlich nach Moldawien begleitet und in die Obhut ihrer Familie übergeben
hätte. Aber das war unmöglich gewesen. Sie stand auf, ging zu ihm und legte den
Arm um ihn. »Du bist ein guter Polizist, Chris. Allerdings hast du dir einen
Beruf ausgesucht, in dem du tagtäglich mit Not und Elend konfrontiert wirst. Du
wirst damit klarkommen müssen.«
    Christian umarmte sie: »Dein Beruf ist auch nicht viel fröhlicher.
Nur Irre um dich herum. Aber dich interessieren sie halt. Zu meinem großen
Glück!«
    Anna lächelte: »Warum haben wir beide diese Wahl getroffen?
Wahrscheinlich sind wir selbst total gestört.«
    »Nicht mehr als alle anderen. Eher weniger. Hoffe ich. Aber manchmal
frage ich mich, ob es überhaupt einen Sinn gibt.«
    Anna sah nun auch aus dem Fenster hinaus. »Du hast ein Riesen-Arschloch
aus dem Verkehr gezogen. Jensen wird niemandem mehr wehtun.«
    »Arschlöcher wachsen nach. In rasantem Tempo. Und sie werden wieder
wehtun und andere zerstören. Nützt das alles irgendetwas? Was können wir
überhaupt tun?«
    Anna sah ihn ernst an: »Vermutlich nur jeden Tag aufs Neue einatmen
und ausatmen, an unseren Überzeugungen festhalten und einen Fuß vor den anderen
setzen. Mehr nicht.«

 
    Kiew, Ukraine.
    Katya war müde, sie war so unendlich müde. Ihr Aufpasser
Jurij hatte sie aus dem Bett geholt, dabei hatte sie die ganze Nacht
durchgearbeitet. Jetzt war es noch nicht mal sechs Uhr abends, und sie sollte
schon wieder ran. Welcher idiotische Kunde kam so früh ins Bordell? Und
verlangte ausgerechnet nach ihr? Sie wusch sich und putzte sich die Zähne.
Jurij fuhr sie an, sie solle gefälligst Tempo machen. Katya wusste, dass er zu
seinem Pokertisch zurückwollte, an dem er regelmäßig Geschäftsleute ausnahm.
Sie beeilte sich, um ihn nicht zu verärgern. Wenn Jurij verärgert war, schlug
er zu. Jurij brachte sie durch das noch leere Bordell
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