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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten
Autoren: Péter Nádas
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Sachverhalt würde bei der Sekretuntersuchung auch noch exakt feststellbar sein. Das schwere Parfüm war im dichten, reichen Schamhaar und über den Bauch verteilt, von hier verströmte es sich in den Raum. Kienast hatte keinen Augenblick zu verlieren. Vom Gang kamen Schritte näher, er musste, bevor der Pathologe hereinkam, seine Beobachtung überprüfen. Weder auf dem Brustkorb noch in der Gegend der Achselhöhlen noch hinter den Ohren roch man den Duft. Das waren die letzten in Frage kommenden Punkte, mehr brauchte Kienast nicht zu wissen. Es war nicht das Parfüm des Toten, sondern ein neu dazugekommenes fremdes, das sich über seinen Körper verschmiert hatte.
    Ein Türflügel schwang herein, er hob den Kopf.
    Als hätten er und die Leiche sich geküsst.
    Auf das Türgeräusch hin drehte er sich um und sagte, was ihn betreffe, sei er fertig.
    Ob er etwas Interessantes gefunden habe, fragte der Pathologe leutselig.
    Es war der diensthabende Arzt des Pathologischen Instituts, mit dem der Kommissar in einem täglichen herzlichen Verhältnis stand. Was aber nicht bedeutete, dass zwischen ihnen keine sanften oder gelegentlich auch heftigeren Reibereien vorkamen, womit sie aber, wie man zu sagen pflegt, problemlos leben konnten.
    Das überlasse ich lieber dir, sagte Kienast zuvorkommend, ich wäre aber dankbar, fügte er ohne das geringste Zeichen von Verlegenheit hinzu, wenn auch du an seinem Bauch und den Schamhaaren riechen könntest. Da ist irgendein Parfüm, oder eine stark riechende Seife, oder so etwas.
    Vielleicht erkennst du es.
    Die Kollegen taten manchmal aus reinem Selbstschutz so, als hörten sie nicht, was Dr. Kienast sagte, wünschte oder haben wollte. Nicht nur die Leute, die in einer lockeren Beziehung zu ihm standen, sondern auch seine unmittelbaren Untergebenen. Man duzte sich in diesem Kreis meistens, war aber trotzdem bemüht, ihn und seine Manien auf Armeslänge zu halten. Er galt als komischer Vogel, als einer, den man mit gewissen Dingen einfach allein lassen und sich vom Hals halten musste, um nicht in dunkle oder unsaubere Angelegenheiten verwickelt zu werden. Auch jetzt war das so. Dr. Kienast wartete, ob der andere vielleicht doch noch auf seinen Wunsch eingehen würde, aber der tat nichts dergleichen. Nicht etwa, weil er auf diese Weise seine Missbilligung ausdrücken wollte, sondern weil er die Aufforderung anscheinend gar nicht gehört hatte.
    So etwas schockierte Dr. Kienast, ließ ihn innerlich brodeln.
    Er konnte nicht nachvollziehen, warum sich andere mit so wenig begnügten und wo ihr natürliches menschliches Interesse oder ihre berufliche Neugier blieb.
    Als der Pathologe seine obligatorischen Untersuchungen beendet hatte, äußerte er sich dahingehend, dass der Tod des unbekannten, rund fünfundfünfzigjährigen, gepflegten und wohlgenährten Mannes mit größter Wahrscheinlichkeit wenige Minuten vor der Entdeckung durch den frühmorgendlichen Läufer eingetreten war.
    Denkbar allerdings, dass es etwas später gewesen sei.
    Ja, sogar denkbar, warf Dr. Kienast gallig ein, dass er immer noch lebt.
    Der Mann ist erst seit ganz kurzem tot, erwiderte der Pathologe leicht beleidigt, da, bitte, schau ihn dir doch an. Er hob die leblose Hand hoch, zeigte die Nägel, legte sie dann wieder hin. Und als ob das noch nicht ausreichte, drückte er auch noch den Finger in die Muskulatur des Oberschenkels.
    Möglich, sagte er, dass der gerade in den zehn Minuten ins Gras gebissen hat, als ihr mit dem Einsatzwagen zum Tatort fuhrt. Hätte ihn dieser Morgenläufer etwas früher entdeckt oder es früher gemeldet, oder hättet ihr nicht so lange rumgetrödelt, hätten ihn die Sanitäter höchstwahrscheinlich wiederbeleben können.
    Dr. Kienast fragte, ob der Körper nicht in einer zu guten Verfassung sei, um von einem Herzanfall erledigt zu werden.
    Der Pathologe lachte erleichtert auf, sagte, er solle doch nicht solchen Unsinn fragen, er rede ja wie ein Laie.
    Och, redete sich Kienast heraus, er frage ja bloß so dumm, weil er sich überlege, ob man nicht woanders suchen müsste.
    Wenn man es ganz genau nimmt, sagte der Pathologe, der nicht recht verstand, worauf Kienast hinauswollte, würde man beim ersten Hinsehen tatsächlich sagen, dass der Herzanfall unbegründet sei, aber das heiße nichts.
    Sie sollten die Autopsie abwarten, fügte er nach einigem Schweigen hinzu.
    Das sieht nicht wie ein verbrauchter Körper aus, beharrte Dr. Kienast.
    Schau dir doch die Beine an, den Brustkorb, einen
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