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Papierkuesse

Papierkuesse

Titel: Papierkuesse
Autoren: Pali Meller
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so oft schon verbrannt worden zu sein, dass ich weiß, wo Gefahr Eurer lauert. Und da bilde ich mir ein, nicht zu jenen »Wackelzeigefinglern« zu gehören, die Dir in Deinen Angsträumen erscheinen, sondern zu jenen Menschen, die zu den oben erwähnten Gefahren Euch ruhig führen können, da sie Euch das Rüstzeug zum Kampf zu geben versucht haben, und Euch nicht den Fluchtweg der Hasenherzen zeigten. Man muss Gefahren nicht suchen, das tun nur Abenteurer, aber unrichtig ist auch die Politik des Vogels Strauß, der den Kopf in den Sand vergräbt und so blind glaubt, dass es keine Gefahr gäbe. Aber wie denn soll man handelnd leben? Guck! Jetzt führt uns dieses Thema schon zu Deinem Zwiespalt mit Heini. Also wie? Antwort: Man muss vorwärts schreiten! Dazu gehört: l.) ein Ort von dem man ausgeht, 2.) ein Ziel auf das man zugeht, 3.) eine Kraft zur Überwindung der etwaigen Schwierigkeiten auf diesem Weg.
    Diese Kraft nennt man im Sprachgebrauch »Energie«. Das Wort spielt eine große Rolle in der Naturwissenschaft, wo wir z. B. vom »Gesetz der Erhaltung der Energie« sprechen, wobei Energie die Urkraft ist, das heißt die Ursache aller Bewegung. Diese vorerwähnte Dreiteilung von Ort, Ziel und Kraft findest Du in jederHandlung; sei es, um zu Brennschede zu gehen zum Zweck, Franzi Zigaretten zu holen, sei es, um das hohe Ziel der Berufswahl. Dabei ist z. B. der Ausgangspunkt (Ort) die Feststellung und Erkenntnis der eigenen Begabung (wenn es mehrere sind auch die Auslese der kräftigsten). Das Ziel ist der Beruf, der dieser Begabung oder »Berufung« entspricht – und Energie ist jenes Zähnezusammenbeißen, das nötig ist, um trotz Misserfolgen und Rückschlägen auszuharren, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und nie zu verzagen. Energie gehört auch dazu, das Ziel, so sehr nicht aus den Augen zu lassen, dass man täglich nicht zu Bett geht, ohne sich zu fragen, was man heute geleistet hat zum Erreichen des Ziels! Genährt wird diese Kraft durch den Glauben, den man an sich selber hat, gefährdet wird sie durch den falschen Maßstab, den man oft sich selbst gegenüber anwendet. Wenn nun jemand das Wort »Energie« im Mund führt, der das Leben wirklich kennt und daher drauf gekommen ist, dass egal welchen Beruf man hat, sei es Künstler, sei es Schweißer bei Siemens, jeder Erfolg, jedes »Werk« aus 90% Arbeit und 10% Begabung besteht – so höre auf ihn. Natürlich nur auf den, der dies auch wirklich erlebt und durch sein Werk bewiesen hat. Heini hat diesen Beweis erst zu liefern genau wie Du. Franzi z. B. hat diesen Beweis klarer erbracht als l000 andere – mit ihr musst Du Dich beraten!!
     
    Ich will nicht sagen: entscheide Dich für einen Beruf! Wozu schon jetzt? Aber bedenke die Wege, prüfe Deine Kräfte, erforsche Deine Sehnsüchte. HorcheDich ab!! Leicht und schön ist ein Weg zu jenem Ziel, zu dem uns sehnsüchtige Leidenschaft treibt. Dann ist es egal, ob man als Gärtner oder Arzt, Flieger oder Schauspieler sein Lebensziel erblickt hat.
    Wenn Du jetzt sagst: »Ich bat Gott um einen nicht predigenden Papa und siehe: auch er kann es nicht lassen« – so gehört Dir der Hintern voll! Hätte mein Vater, statt in den unerreichbaren Wolken seiner Allmacht zu thronen, mit mir alles so besprochen, wie wir es immer tun – viel Leid und Elend wäre uns beiden erspart geblieben. Wir beide aber – Du und ich – wollen immer am gleichen Strick ziehen – und wenn dieser Strick auch manchmal ein wenig kneift – so wollen wir immer verstehen, weshalb das so sein muss!
    Und jetzt sei zum letzten Mal oft geküsst in meinem neununddreißigsten Jahr. Der nächste Brief ist schon von einem »Vierziger«. Freund Hans grüsst Dich, und ich umarme Dich Papa.
    Liebe Franzi! Welch ein Monat! Heute hat Uschi 13 Geburtstag, übermorgen Lutz 14 , dann komme ich, dann Pila, Mali, etc. Sein Sie so gut, tun Sie in den nächsten Brief zwei blaue Kuverts (wie meine). Herzlichst PM

[13]
    Berlin Plsee, den 22.   6.   1942
    Haus III
     
    Mein geliebter Pilasohn!
    Ich müsste es so machen wie die Holländer es tun und sagen: »Lieber Palipapa, ich gratuliere Dir zum zwölften Geburtstag Deines Sohnes Pila«. Denn sicher ist es: ich kann mir zu Dir gratulieren, denn ich habe mit Dir Glück gehabt! Dir will ich nur meine herzlichsten Segenswünsche senden und all meine Liebe, des mein sehnsüchtiges Herz fähig ist. Der Vater meines Freundes Hans schrieb ihm vor kurzem einen Brief, in dem er unter anderem Folgendes
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