Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Papierkuesse

Papierkuesse

Titel: Papierkuesse
Autoren: Pali Meller
Vom Netzwerk:
sagt: »Um die einfachsten Dinge des täglichen Lebens auszudrücken, kommt man mit rund 80 bis 100 Wörtern aus. Bei 500 Gebrauchswörtern lassen sich schon die über das tägliche Leben hinausgehenden Gedankenketten formen. Mit 2000 Wörtern im Tornister lässt sich’s schon philosophieren – ab 3000 bist Du im Reich der gebildeten Literatur. Unsere Sprache aber hat, einschließlich der Lehn- und Fremdwörter, rund 450   000 Ausdrücke zur Verfügung.
Um aber das Gefühl wiederzugeben, das in einem Händedruck liegen kann, – dafür fehlen uns alle Wörter.
« Ja, um das tiefste Gefühl – und das ist die Liebe – auszudrücken, darin sind Tier und Wilder, Mensch und Übermensch gleich reich, gleich arm: ein Blick, eine Bewegung, ein Ton!! Nicht das gesprochene, nicht das geschriebene Wort hilft uns da!
    Drum mache ich es auch wie Du: am 27. will ich den ganzen Tag noch mehr als sonst in Gedanken bei Dirsein, Dich förmlich einhüllen in meine Liebe! Du wirst es schon fühlen!! Aber ganz mit leeren Händen komme ich nicht; Du sollst acht Zeichnungen, »Selbstporträts«, die fast wie Selbsterkenntnisse wirken, von mir kriegen. Zur Geschichte dieser Zeichnungen muss ich Dir folgendes erzählen: Mein Freund hat vor fast zwei Jahren seine kleine zweieinhalbjährige Tochter, die Halbwaise ist, verlassen müssen, und das Kind lebt seither irgendwo in Frankreich. Er erzählte mir, dass er Angst hat, dass dies Kind ihn völlig vergessen könnte, umso mehr, als dass kein Bild von ihm in den Händen des Kindes sei, das dieses Vergessen verhindern könnte. Ich kam dabei auf den Gedanken, dass ich, der vor rund 22 Jahren kein schlechter Porträtzeichner war, durch fleißiges Üben vielleicht wieder im Stande sei, eine Zeichnung zu machen, die mehr ausdrückt als irgend ein kaltes dummes Foto, und man dann dieses Bild dem Kind schicken könnte. 22 Jahre Pause zu überbrücken, ungeschickt gewordene Hände wieder formempfindlich, Augen wieder zu abtastenden, suchenden Organen zu machen – das war also die Aufgabe. Ich habe den Kampf am 18. 4. begonnen und seither fast täglich gezeichnet. Im Anfang ungeschickte, dann immer leichter werdende – immer aufregend spannende Beschäftigung. Kurz nach den ersten Versuchen habe ich beschlossen, das Selbstporträt als zweite Aufgabe hinzuzunehmen – eine Aufgabe, die aus vielen Gründen noch viel schwieriger ist als die Erstere –, um für den Fall, dass ich Erfolg mit der Arbeit habe, Dir ein Geburtstagsgeschenk schicken zu können. Nun ist es soweit! Ich weiß selber nicht, welcherKopf gut, welcher schlecht ist? Du wirst sehen, in welchem Du Deinen Papa wiedererkennst, oder besser, wo er und Du ihn gleich gesehen habt. Du musst jedes Bild getrennt anschauen, solange bis es fast lebt! Dann weißt Du Bescheid. Und mir schreibst Du das Datum der Zeichnung, dann weiß ich, welches Blatt den Sieg davongetragen hat. Dazu schicke ich Dir einen Kopf des Freundes Hans. Er ist nicht immer so heilig: trotzdem vereinigt dieser Kopf die meisten Erscheinungsformen seines Wesens zu einem Gesicht. Zu meinem Geburtstag kamen Euer Brief und einer von Hans. Für Deinen Geburtstagsbrief kann ich mich nur bedanken und Dir sagen, dass er mir tiefe und wahre Freude brachte und die neue Bestätigung unseres Zusammengehörens – durch dick und dünn! Dein großer Brief aber, mit seinem leidenschaftlichen Bekenntnis zu den vielen Berufen – deren gemeinsamer Nenner die Liebe und Hilfsbereitschaft für den Nebenmenschen – also die menschliche Gesellschaft ist – hat mich erstaunt, gepackt und dann begeistert!! Du siehst ich »stöhne« nicht und »lache« nicht. Wie das jetzt schon des Öfteren war, habe ich in meinem letzten Brief schon einige meiner Standpunkte über »Beruf« etc. dargelegt, ohne noch Deinen Brief in Händen zu haben. Er könnte glatt als Antwort gelten! Im Wesentlichen will ich Dir dazu sagen: ich verstehe, dass man das Lachen kriegt beim Anhören der Riesenpläne – aber es gibt bei uns ein schönes altes Märchen, das da erzählt: der Vater sagt der heiratenden Tochter:

    »Schaffe Dir große Töpfe an, denn der liebe Gott schickt nach der Hochzeit einen Engel herunter, derschaut nach; und den Menschen mit kleinen Töpfen gibt er wenig und den Menschen mit großen Töpfen gibt er viel«. Also auch hier: wer zuletzt lacht, lacht am besten! Die anderen haben es ja leicht: Die haben nur zu lachen und an Dir zu zweifeln. Du aber musst beweisen!! Und wenn es bei der Maschine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher