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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg
Autoren: Martin Mucha
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Wollstoff und trat hinaus.
    Auf der Straße, es nieselte und ein
bitterkalter Wind pfiff um die Häuserecken, war nicht viel los. Keine Polizei,
keine Neugierigen, nichts. Offenbar war der Mord noch immer nicht entdeckt
worden. Ich schaute mich unbeteiligt um, ob nicht irgendwo das Auto stand, zu
dem mein Schlüssel passen könnte.
    Auf der anderen Straßenseite stand ein alter, weißer Skoda
Octavia. Ich nahm mein Herz in die Hand und überquerte die Straße, außer mir
und ein paar Autofahrern war niemand zu sehen. Der Schlüssel passte. Ich
rutschte auf den Fahrersitz und schaute mich kurz um. Der Wagen stank nach
Zigarettenqualm, der Aschenbecher quoll über. Ein Archäologe hätte ihn für den
Inhalt eines Urnenfeldes gehalten und sofort Ausgrabungen begonnen. Im Handschuhfach
lagen verschiedene Spielkartenpäckchen, benutzte und unbenutzte. Unter dem Sitz
fand sich eine Dokumentenmappe. Die steckte ich schnell in meine Tasche und war
auch schnell wieder zurück auf der anderen Straßenseite.
    Gegen den Wind gestemmt, ging ich die Felberstraße hinunter zum
Westbahnhof. Dort holte ich die Knarre ab, es war niemand da, der mich gesehen
hätte. Ich schaute mich ein bisschen um, konnte aber auch heute keine Kameras
entdecken.
    Da es ruhig und warm war, holte ich mein eigenes Handy heraus und
machte einen Anruf.
     

II
    »Martin
Reichegger.«
    »Hi, Reichi. Arno da. Hast du heute gegen Mittag Zeit?«
    »Ja, ich hab bis halb zwölf Staatsrecht, danach bin ich frei.«
    »Gut, sag, kennst du eine Kanzlei
Meyerhöffer & Unrath?«
    »Ja, ganz groß im Wirtschaftsgeschäft. Waren anfangs beim
Bawagprozess im Gespräch. Der alte Meyerhöffer ist ein Duzfreund vom Elsner.
Bei der Konsumpleite waren sie auch dabei.«
    »Weißt du, wo die sitzen?«
    »Ja, weiß doch jedes Kind, Stallburggasse 9.«
    »Danke. Treffen wir uns im Bräunerhof um zwölf? Sag dir dann alles
Weitere.«
    »Ausgezeichnet.«
    »Bis nachher.«
    Wir legten auf. Ich kannte Martin schon ewig, er war genau der
Mann, den ich jetzt brauchen konnte. Außer Jus interessierte er sich nur für
Computer.
    Danach machte ich mich auf in die Kanzlei. Meyerhöffer war
sichtlich interessiert, sonst hätte er mir gewiss nicht bereits um halb neun
einen Termin geben lassen. Wer weiß, wie lange man normalerweise auf ein
Gespräch mit ihm warten musste, solange man nicht Millionär war, oder Mitglied
im Jaguarklub Wien.
    Die Stallburggasse liegt im ersten Bezirk, direkt neben der
Hofburg, dort, wo nur 60.000-Euro-Autos parken und die Pelzmäntel der Damen
niemals falsch sind. Nummer 9 war ein Gründerzeitbau mit reichdekorierter
Fassade. Ein winziges Schild, schwarz mit Goldemaille, wies auf die Kanzlei im
3. Stock hin. Ich drückte den Knopf, die Tür wurde geöffnet und ich trat ein.
Ein Wachmann saß direkt hinter der Tür und starrte Löcher in die Luft. Er war
schwer gebaut und trug einen blauschwarzen Overall.
    »Gehlen, ich habe einen Termin bei Meyerhöffer &
Unrath.«
    Er nickte mir zu und spielte weiter an seinem Elektroschocker
herum. Er sah so aus, als ob die Funktion seines Zerebralsystems durch
wiederholtes, versehentliches Selbstschocken schwer gelitten hätte. Neben einer
gewundenen Stiege mit überladen verziertem Schmiedeeisengeländer fand sich ein
Jugendstillift, der offenbar für zahnstocherdünne Menschen konzipiert war, aber
auch von denen hätten nur jeweils zwei zur gleichen Zeit hineingepasst. Ich
stieg ein und drückte die 3. Oben öffnete sich die Tür und ich folgte
einem langen Gang, bis ich an eine geschnitzte Holztür kam. Dort läutete ich
erneut und ein Summen hieß mich einzutreten.
    Ich befand mich in einem quadratischen Raum,
etwa sechs mal sechs Meter groß, der mit zwei Yuccapalmen, einem roten Perser
auf dem kostbaren Parkett, Aktenschränken und einem monumentalen Schreibtisch
gefüllt war. Hinter dem Ungetüm saß die Frau, mit der ich telefoniert hatte.
Sie trug ein graues Kostüm und eine hellgraue Bluse mit altrosa Halstuch. Ihre
Haare hatte sie zu einem Dutt zusammengesteckt. Obwohl die Haare blond waren,
wirkten sie grau, so stark war die Ausstrahlung der wohlbeabsichtigten
Biederkeit ihrer Aufmachung. Sie war noch keine 30 und recht hübsch.
    Mit einem Blick hatte sie mich taxiert und in die Kategorie
›Unbedeutende Hausierer‹ eingeordnet.
    »Gehlen, ich habe einen Termin.«
    »Sehr wohl«, ihre Stimme war kalt wie Eis. »Die Türe links. Nehmen
Sie aber noch kurz auf
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