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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg
Autoren: Martin Mucha
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den Stühlen Platz.« Sie wies mir mit der Hand den Weg.
Danach kümmerte sie sich wieder um ihren Flachbildschirm. Mich beachtete sie
nicht mehr als ein Stäubchen am Fußboden.
    Ich ging durch den Bogen neben ihrem Schreibtisch in den nächsten
Raum. Dort befanden sich derselbe kostbare Parkettboden, ein roter Läufer, ein
paar Stühle mit Zeitschriften auf den Tischchen davor und in den Seitenwänden
zwei Türen, die einander gegenüberlagen. Auf der einen stand › Dr.
Meyerhöffer‹, auf der anderen ›Unrath‹.
    Ich legte meinen Mantel ab, setzte mich auf die schwarzen
Ledermöbel, stellte meine Tasche neben mich und nahm mir eine Zeitschrift. Es
war die neue Ausgabe der ›Yacht‹, das traf sich gut, denn ich wollte mir
sowieso ein neues Boot anschaffen. Seit Abramowitsch auf dem Seinigen zwei
Hubschrauberlandeplätze hatte, kam mir mein eigenes irgendwie lausig vor. Es
waren zwar ein paar ganz nette Stücke vorgestellt, aber nichts, das mich so
richtig begeistert hätte. Sodass ich froh war, als sich die Sekretärin nach 15
Minuten blicken ließ und verkündete, dass ich eintreten dürfe. Ähnlich musste
Gottes Sprechzimmerhilfe klingen, wenn ein kleiner Sünder einen Termin beim
großen Boss ergattert hatte. Ich schnappte mir noch schnell zwei Visitenkarten
und stand auf.
     

III
    Ich
klopfte und trat ein. Vor mir lag ein Büro, durch dessen straßenseitige Fenster
auch jetzt, im trüben März, viel Licht hereinkam. In der einen Ecke stand eine
Chaiselongue, mit grünem Stoff bezogen, in der anderen ein grünglänzender
Gummibaum mit üppigen, fleischigen Blättern. Mir gegenüber befand sich ein
Schreibtisch, solides Holz, mit Laptop, Schreibunterlage und Papier. Hinter dem
Schreibtisch stand ein schwarzer Schrank, der die gesamte Breite des Büros
einnahm. In seinen gläsernen Türen waren Bücher zu sehen, Rechtskommentare und
Ähnliches.
    In der linken Wand, der Straßenseite gegenüber, befand sich eine
Tür. Aus der kam mein Gesprächspartner, der sich mit einem Handtuch über das
frisch rasierte Kinn fuhr. Offenbar hatte er gerade seine Morgentoilette hinter
sich gebracht. Er war in einen Dreiteiler aus edler, grauer Baumwolle
gekleidet. Englischer Schnitt, er musste einen guten Schneider haben. Eine
unauffällige Krawatte, die noch nicht gebunden um seinen Kragen lag, machte
deutlich, wie früh die Stunde war. Insgesamt war er durchschnittlich gebaut,
sein Gesicht war allerdings außergewöhnlich. Mit seinen tiefliegenden braunen
Augen, der hohen Stirn und dem nach hinten gebürsteten schwarzgrauen Haar sah
er aus wie eine leicht gealterte Version von George Clooney. Er hätte durchaus
den ältlichen Liebhaber in einem 50er-Jahre-Film spielen können. Etwas
extravagant trug er einen dazu passenden Bleistiftstrich-Oberlippenbart, Marke
Errol Flynn. Mit einer wohlmanikürten Rechten wies er auf den Stuhl vor seinem
Schreibtisch.
    »Nehmen Sie doch bitte Platz.« Seine Stimme war warm, die Worte
perlten präzise, und in Vokalbildung und Klangfärbung sprach die alte
Monarchie. So mussten die Protagonisten in Musils ›Mann ohne Eigenschaften‹
gesprochen haben.
    Ich nahm Platz und harrte der Dinge, die da kommen würden. Einer
Ledertasche entnahm er ein Notizbuch, ebenfalls in braunes Leder gebunden.
Natürlich mit Monogramm. Er öffnete das Buch und zog meine Visitenkarte heraus.
    »Herr Doktor Linder, nehme ich an.« Dabei blickte er mich fragend
an. Ich nickte.
    »Sie haben gestern meine Tochter nach Hause gebracht, dafür danke
ich Ihnen, aber warum wollten Sie mich sprechen?« Seine Augen fixierten mich,
nahmen mich in ein stummes Kreuzverhör. »Wollte ich jeder männlichen
Bekanntschaft meiner Tochter eine Stunde widmen, so käme ich nicht mehr zur
Arbeit.«
    Ich erzählte ihm die gestrige Begebenheit, ohne allerdings die
rechtlich problematischen Aspekte des Ganzen zu erwähnen.
    »Schön und gut, aber was geht mich das an? Einen
Maria-Theresia-Orden werden Sie doch nicht erwarten.«
    »Bei Ihrer Tochter fand sich eine benützte Schusswaffe und in der
Wohnung, die sie verlassen hatte, das Ergebnis der Benützung.«
    »Ich verstehe nicht ganz.« Während dieser Worte zerriss er langsam
und methodisch meine Karte zu winzigen Fetzen, ohne mich auch nur eine Sekunde
aus den Augen zu lassen.
    »Eine Leiche. In der Wohnung fand sich eine Leiche.«
    »Und Sie wollen diesen Mord, von dem ich nichts weiß, meiner
Tochter anhängen? Doktor der
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