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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg
Autoren: Martin Mucha
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um die Schultern,
klappte den Kragen meines Mantels hoch und machte mich auf den Weg zur
Grinzinger Straße. Irgendwo würde ich dort sicherlich ein Taxi finden. Was auch
tatsächlich geschah. Ich ließ mich zur Rotenturmstraße bringen, ging wieder ein
paar Meter zu Fuß und stieg in ein zweites Taxi, das mich zum Westbahnhof
brachte. Es sollte keine zu offensichtliche Verbindung zwischen meiner Wohnung
und der Adresse in Grinzing geben. Am Westbahnhof, der in seiner
denkmalgeschützten Scheußlichkeit wie ein Mahnmal für die Sünden der Nachkriegsarchitektur
wirkt, ging ich in die Gepäckaufbewahrung und legte die Waffe in ein
Schließfach. Da niemand anwesend war, musste ich mir auch keine Sorgen machen,
elektronische Kameras gibt es dort nicht. Fürs Erste würde dieses Versteck
reichen müssen. Wenn ich später mehr über die Begleitumstände herausgefunden
hätte, würde mir garantiert noch ein geeigneterer Platz dafür einfallen. Ich
hatte sogar schon einen im Sinn. Die elektronische Schlüsselkarte steckte ich
einfach hinter meine Kreditkarte, auch für sie würde sich noch ein besseres
Versteck finden lassen. Aber jetzt hatte ich erst einmal 24 Stunden, bis
irgendwer das Schließfach öffnen konnte.
    Die Felberstraße hinauf war ich allein unterwegs, keine Polizei,
kein Blaulicht, alles war ruhig. Die Uhr zeigte zehn nach zwei, für das gesamte
Unternehmen hatte ich demzufolge etwa eineinhalb Stunden benötigt, ungefähr die
Zeit, die ich auch gebraucht hätte, um von Eugen aus zu Fuß nach Hause zu
kommen. Alles war soweit in Butter. Ich schloss auf und trat in den Hausflur.
    Nun war Glück gefragt. Aus welcher Wohnung war die Kleine
gekommen? Im Parterre fand sich nichts, auch im ersten Stock, wo sich meine
eigene Wohnung befand, war nichts zu sehen. Im zweiten Geschoss aber wurde ich
fündig, eine der Wohnungstüren war nicht ganz geschlossen, sondern nur
angelehnt. Ein Lob den Schlössern im Haus, die ohne Schlüssel von außen nicht
zu schließen sind. Ich nahm mir ein Taschentuch aus dem Mantel, um keine Spuren
zu hinterlassen, und öffnete die Türe. Nachdem ich sie sachte hinter mir
geschlossen hatte, lauschte ich. Nichts war zu hören, kein Geräusch bis auf
mein Herz, das mir aus dem Hals springen wollte. Ich stellte meine Tasche
vorsichtig ab und zog die Schuhe aus. Unten hatte ich sie zwar ordentlich
abgeputzt, aber man weiß ja nie. Ich stellte die Sachen unter einen kleinen
Schemel und sah mich um.
    Das kleine Vorzimmer hatte zwei Durchgänge, einen in die Küche,
den anderen in ein Wohnzimmer, in dem eine Stehlampe mit Pergamentschirm warmes
Licht ausstrahlte. An den Wänden hingen ein paar geschmacklose Bilder, eine
gewaltige Homecinema-Anlage mit Flachbildschirm, Surround-Boxen und einem
wohlgefüllten DVD-Regal bildete den Rest der Einrichtung. Vor einer Couch
befand sich ein Rauchglastisch, auf dem in wüster Unordnung Schnapsflaschen,
Aschenbecher und benutzte Gläser herumstanden. Dazu kam noch eine Alufolie mit
weißem Pulver. Auf der Couch, einem massiven Ensemble aus Leder, saß der
Hausherr. Wenn einer sitzt, ist es schwer, seine Größe abzuschätzen, aber der
Mann war etwa 1,85 und um die 100 Kilo schwer. Ein fader grauer Anzug, ein
weißes Hemd mit geöffnetem Kragen und eine lose Krawatte bildeten seinen
Aufzug. Er war ein schwerer Mann gewesen, sauber rasiert, um die 50. Er hatte
ein Profil, das einer Büste Cäsars gut zu Gesicht gestanden hätte. Das dünne
schwarze Haar klebte am Kopf, überall schimmerte rosig die Kopfhaut durch.
Irgendwoher kam er mir bekannt vor, aber ich kam nicht dahinter, woher.
    Sein mächtiger Brustkasten war von mehreren
Schüssen getroffen, alles ein rotes Durcheinander aus frischem roten und
geronnenem schwarzen Blut, Stofffetzen und drei schwarzen Löchern. Ich beugte
mich über ihn und besah mir seine Hände, die neben ihm auf der Couch lagen. Sie
waren schlank, mit langen Fingern, die auf beiden Seiten von je einem schweren,
massigen Goldring geschmückt waren. Am rechten Armgelenk trug er eine massiv
goldene Uhr, irgendeine Rolex, an den Füßen teure Lederslipper. Ich war mir
nicht sicher, ob es sich um ein Krokodil handelte, vielleicht war es auch nur
ein Imitat. Seine Augen waren geöffnet und starrten an die Wand. Der allgemeine
Eindruck war der einer soliden Leblosigkeit.
    Ich ging durch das Wohnzimmer nach hinten, wo sich sein
Schlafzimmer befand. Das Bett war nicht gemacht und die
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