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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg
Autoren: Martin Mucha
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sondern
Hinrichtungen. Ich kam mir vor wie ein Delinquent, der einen Schokodegen
schwingt, während sein Gegner eine wohlgeschliffene Katana in Händen hält.
Endstand 20 zu 4.
    Nicht nur das Ausmaß der Niederlage war monumental, sondern auch
die Qualität derselben war erschütternd. Nur einmal gelang es mir, durch
geschicktes Taktieren eine
6er-Prime aufzubauen, Eugen war blockiert und beim Hinauswürfeln konnte meinem
Sieg nur mehr ein zweimaliges 6 und 1 gefährlich werden. Eine Chance von 2
zu 1296, aber genau das trat ein und ich musste Eugen eine Möglichkeit
einräumen, mich zu schlagen. Zeus warf die Schicksalslose und die Moiren beschlossen
meinen Untergang, was der Göttervater mit einem Nicken seines fürchterlichen
Hauptes quittierte. Mit den Unsterblichen auf seiner Seite würfelte Eugen
richtig und ich war draußen. Das Ergebnis war, dass ich so schlecht würfelte,
dass ich meinen geschlagenen Stein erst wieder ins Spiel bringen konnte, als
Eugen nur noch acht Steine in seinem Endfeld hatte. Da er daraufhin zwei hohe
Päsche warf und ich zweimal 2 und 1, musste ich eine doppelte Niederlage
einstecken.
    Wie immer hatte aber auch diese Niederlage ihr Gutes und so musste
ich nicht für das zahlen, dessentwillen ich eigentlich gekommen war: zehn Gramm
bestes Schweizer Gras.
    Um Viertel nach zwölf machte ich mich auf den Weg zur U6 und fuhr
heim.

III
    Das
Erste, was mir auffiel, als ich zu Hause um die Ecke bog, war ein
silberglänzender Mercedes SLR, der direkt vor der Haustüre des Mietshauses
geparkt war, in dem ich wohnte. Ich bin wahrlich kein Autonarr, aber bei diesem
Wagen war ich bereit, eine Ausnahme zu machen. Geduckt wie eine Raubkatze lauerte
er am Gehsteig, zum Sprung bereit. Alles an diesem Auto war Kraft, gepaart mit
Eleganz. Ich blieb stehen und genoss den Anblick. Im Halbdunkel der
Straßenbeleuchtung schien es, als ob sich die Kiemenschlitze an den Türen im
Rhythmus einer tatsächlichen Atmung bewegen würden. Ich war noch nicht allzu
lange in Kontemplation versunken – ansonsten hätte mich die Eiseskälte, mit der
der Wind durch die Straßenfluchten Wiens pfiff, aus meinen angenehmen Träumen
gerissen – als ich im Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm.
    Die Haustüre hatte sich geöffnet und heraus fiel, mehr als dass es
ging, ein junges Mädchen. Etwa 20, langes kornfarbenes Haar. In eine
Guccikombination aus Tweed und scharlachfarbener Seide gehüllt, stolperte die
Kleine auf den Benz zu. Aus einer winzigen Tasche, an der ich im Dunkel das
D&G-Logo gerade noch ausmachen konnte, holte sie nicht ohne Mühe einen
Autoschlüssel hervor. Schwankend drückte sie den Schlüssel, und der Kompressor
zwinkerte ihr mit seinen Blinkern zu. Offenbar wollte sie sich voll des guten
Weines, oder welche Chemikalien auch immer in ihren Venen toben mochten, hinter
das Steuer ihres Wagens setzen.
    Sonst eigentlich nicht die Hilfsbereitschaft in Person, machte ich
nun doch ein paar Schritte auf die Kleine zu, sie hatte es gerade geschafft,
ohne umzufallen von der Gehsteigkante hinunter auf die Straße zu gelangen, und
sprach sie an. Es wäre doch schade, sowohl um den Benz, als auch um das Kleid,
das Herr Gucci offenbar einzig und allein für das Mädchen angefertigt hatte,
dachte ich.
    Artig ergriff sie meinen angebotenen Arm, meinen wohlmeinenden
Worten aber konnte sie augenscheinlich nicht den geringsten Sinn entlocken.
Ihre braunen Augen blickten mich nur verständnislos an. Irgendetwas wollte sie
mir sagen, aber ihre wunderbar geformten Sprechwerkzeuge waren nicht mehr in
der Lage, etwas anderes als ein niedliches Blubbern zustande zu bringen.
    Ich ergriff die Gelegenheit, entwand dem Mädchen sanft die
Schlüssel und öffnete ihr die Beifahrertür. Ich wartete, bis der Mechanismus
nach oben aufgeschwungen war und bugsierte sie sanft auf den ledernen Sitz.
Nachdem ich sie angeschnallt hatte, ging ich auf die andere Seite des Wagens
und nützte die Gelegenheit, die sich mir in Form einer willenlosen Schönheit
bot, die nicht nur im Alkohol, sondern auch im Geld zu schwimmen schien,
schamlos aus. Es ist zwar nicht gentlemenlike, aber die Gelegenheit, ein
solches Auto zu fahren, kommt nur einmal im Leben. Außerdem war es fast noch
eine gute Tat.
    Wir waren keine 200 Meter weit gekommen, als mir der Gedanke kam,
dass auch bei wunderbarstem Motorenschnurren der Weg nicht eigentlich das Ziel
sein konnte. An der ersten roten Ampel hielt ich und
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