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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
Autoren: Stephen Fry
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öffnen mußte, um seinen rechtmäßigen Besitzer herauszufinden, und ich versichere ihm, daß die verabredete Summe in gebrauchten Scheinen am vorgesehenen Ort hinterlegt wird. Ich freue mich auf die unversehrte Rückkehr der Gerätschaften.
    Also, ich bin außerordentlich froh, Sie noch erwischt zu haben, weil ich wirklich dringend ein Wörtchen über diese Sache mit der Bildung loswerden muß. Ich habe in der letzten Woche so viele Schulen, Universitäten und Fachhochschulen besucht und mir so viele tränenreiche Klagen von Schülern, Studenten und Lehrern anhören müssen, daß ich mit meiner Meinung nicht länger hinterm Berg halten darf. Als jemand, der sein ganzes Leben lang, als Mann, Knabe und seniler alter Schwätzer, in und vor Bildungseinrichtungen verbracht hat, bin ich der letzte, der einen vernünftigen Vorschlag zu diesem Thema abgeben könnte. Das überläßt man besser den Politikern ohne Bildung, Verstand oder Engagement. Die gehen wenigstens nicht von des Gedankens Blässe angekränkelt an das Problem heran. Dennoch möchte ich es mir heute mit Ihnen soweit als möglich verscherzen, indem ich Ihnen diese kleinen Schnittchen vom schmackhaften Büfett meiner Erfahrungen anbiete. Sollten Sie mich gern umbringen wollen (und mit diesem Anliegen stünden Sie mitnichten allein), vergessen Sie Gift, verbannen Sie das Erdrosseln aus Ihren Gedanken und verschwenden Sie keine weitere Sekunde an die Möglichkeit,die Bremsleitungen meines Wolseley durchzusägen; ein viel einfacheres Verfahren steht Ihnen zu Gebote. Schleichen Sie sich einfach an mich heran, wenn ich es am wenigsten erwarte, und flüstern Sie mir die Worte »elterliche Mitbestimmung« ins Ohr. Treten Sie zurück, und genießen Sie die Reaktion. Unweigerliches Herzversagen.
    Elterliche – ärgerliche Mitbestimmung, sage ich immer. Verstehen Sie mich nicht falsch, um Gottes willen, halten Sie sich soweit wie irgend möglich davon fern, mich mißzuverstehen. Die Demokratie und ich liegen in keiner Weise im Clinch. Aber glauben Sie mir bei meinem Schädel, wenn schon bei keinem anderen, elterliche Mitbestimmung und Demokratie haben soviel miteinander gemein wie Mike Gatting und die Königinmutter, und sofern mir nicht jemand einen saftigen Skandal vorenthalten hat, ist das nicht besonders viel. Elterliche Mitbestimmung ist kein Zeichen von Demokratie; es ist ein Zeichen von Barbarei. Wir müssen das Bildungswesen als Dienstleistungsunternehmen betrachten – wie eine Wäscherei: Eltern sind die Kunden, Lehrer die Wäscher, Kinder die schmutzige Wäsche. Der Kunde hat immer recht. Oje, oje, oje. Und was, zur brodelnden Hölle noch mal, verstehen Eltern von Bildung? Wie viele gebildete Menschen gibt es auf der Welt? Mir fallen siebzehn oder achtzehn ein.
    Denn um Bildung geht es natürlich überhaupt nicht. »Gott beschütze uns vor den Gebildeten« ist doch die Losung. Fragen Sie Norman Tebbit, der keinen Unterschied zwischen der lüsternen, nackten Halbwüchsigen in einem Boulevardblatt und einem Akt von Tizian macht [1] , fragen Sie den mal, was Bildung bedeutet. Fragen Sie die schaurigen Analphabeten aus der Fleet Street oder Wapping Street – oder welche unglückselige Durchgangsstraßedie jetzt gerade unpassierbar machen –, was Bildung ist. Ein Gedicht mit Slangausdrücken wird von den Bildschirmen verbannt, oder sie kreischen uns noch wochenlang die Ohren voll. [2] Mit den Sozialisten in den Rathäusern sind sie fertig geworden, jetzt wollen sie sich um die Pinscher kümmern, von denen sie in Theaterstücken und Büchern verspottet werden.
    Dieses neue England, das wir uns erfunden haben, hat keinerlei Interesse an Bildung. Es interessiert sich einzig und allein für Schulung, sowohl materielle als auch geistige. Bildung bedeutet Freiheit, bedeutet Ideen, bedeutet Wahrheit. Schulung veranstaltet man mit einem Birnbaum, dessen Zweige man verflicht und zurechtstutzt, damit er an einer Mauer emporwächst. Schulung erteilt man einem Flugzeugpiloten oder einem Computerfachmann oder einem Rechtsanwalt oder einem Aufnahmeleiter. Bildung läßt man Kindern zuteil werden, um ihnen zu ermöglichen, sich von den Vorurteilen und den moralischen Offenbarungseiden der Älteren zu befreien. Und Freiheit steht nicht im Programm der gegenwärtigen Gesetzgeber. Freiheit zum Kauf von Aktien, medizinischer Versorgung oder Sozialwohnungen, gewiß, Freiheit, alles zu
kaufen
, was man will. Aber Freiheit zum Denken, zum Widerspruch und zur Veränderung? Gott
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