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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
Autoren: Stephen Fry
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riesigen Stahlträgern, wobei die Studenten die ganze Zeit über durch sanfte Vibrationen und gefällige Mozartklänge stimuliert werden, während sie alten Bordeaux trinken und teure Zigaretten rauchen. Auf diese Weise kann äußerst effektiv Abneigung gegen herkömmliche architektonische Formen und liebevolle Akzeptanz des Neuen konditioniert werden.
    Die Aufmerksamen unter Ihnen werden bemerkt haben, daß ich vorhin sagte, wir entfernten unseren Schützlingen die Augen und
dann
zeigten wir ihnen Filme. Ich hätte selbstredend erwähnen sollen, daß ein Architekt lügen können muß. Er (oder sie) muß in der Lage sein, in der Öffentlichkeit leicht und ohne Stocken zu lügen. »Dieses Gebäude wird noch in zehn Jahren stehen«, »St Paul’s Cathedral ist häßlich und muß von schönen Objekten umgeben werden«, »Dieser Wohnblock ist auf menschliche Dimensionen und Bedürfnisse zugeschnitten«, »Architektur ist in erster Linie für die Menschen da«. Ich bin mir sicher, daß selbst der ausgefuchsteste Lügendetektor keine dieser Aussagen, so spinnennetzartige Litaneien, Kataloge und Potpourris aus Lügen sie auch sein mögen, anzweifeln würde.
    Ein bestürzender Trend zum Neomanierismus in der Büro- und Verwaltungsarchitektur der achtziger Jahre hat uns in letzter Zeit dazu veranlaßt, unsere Umerziehungsprogramme zu verschärfen. Es ist daher jetzt die Regel, daß bei Aushändigung des Diploms dem erfolgreich Examinierten mit einem Strohhalm das Gehirn ausgesaugt wird, bevor er uns verläßt.
    Le Corbusier, dieser großartigste aller Architekten (haben Sie’s gemerkt? nicht der geringste Ausschlag der Polygraphennadel), sagte einmal: »Ein Mensch ist eine Maschine, die zum Leben in einem meiner Häuser konstruiert wurde«, und wenn dieses Land eine blühende und gedeihende, glückliche, gutbezahlte, wohlgenährte und wohlbehauste Architektenzunft haben soll, dann müssen wir diesen Grundsatz verinnerlichen.
    Lassen Sie mich mit einem weiteren Zitat schließen, diesmal von Sir Nikolaus Pevsner: »Ein Haus ist die Einfriedung des Raums; Architektur ist die ästhetische Einfriedung des Raums.« In der Bibliothek meiner umgebauten georgianischen Wassermühle hier draußen in Hampshire greife ich nach dem
Wörterbuch des Architekten
, Band I, »Asbest bis Bogenfries«, und schlage das Wort »ästhetisch« nach. Ich finde folgenden Eintrag: »ästhetisch, obs. vulg. Herkunft unbekannt«. Das paßt auf den modernen Architekten, nicht wahr? Obs. vulg. Herkunft unbekannt. Obszöner, vulgärer Bastard. Guten Abend.

Trefusis übertreibt die Eleganz
     
    Gutes Hallo Ihnen allen. Ich muß gleich zu Beginn dieses kleinen Schwatzes betonen, mit ehrlicher, mannhafter Direktheit, daß ich kein Snob bin. War nie einer, will nie einerwerden. Robbie Burns und ich gehen, wie dieser Tage so oft, völlig d’accord, wenn wir tirilieren, Rang sei der Münze Prägung nur trotz alledem und alledem. Gute Herzen, so hört man mich oft vor mich hin murmeln, wenn ich bei irgendeiner Vollversammlung der wappentragenden Familien des Reiches durch den Ballsaal schlendere, gute Herzen sind mehr als Kronen, und schlichter Glaube mehr als Norman Tebbit. Trotz alledem bin ich ein alter Mann mit wenigen mir verbliebenen fleischlichen Genüssen, solange man das Abfeilen von Hühneraugen nicht für sinnliche Schwelgerei hält, und wenn die Ballsaison beginnt, macht es mir Spaß, um die Fleischtöpfe der Haute volée herumzustreunen, hier der Uniauswahl vom »Diamond Skulls« in Henley aus zuzujubeln und dort einen schlanken Adelssproß zum Queen-Charlotte-Ball zu eskortieren. Zugegeben, es ist schwer, mein Entzücken an derlei Festivitäten mit meinem proudhonistischen Syndikalismus einerseits und meiner nahezu allumfassenden Verachtung der Oberklasse in toto andererseits in Einklang zu bringen. Die Schönheit der Anlässe
eux-mêmes
wird von der nahezu vollständigen Verdorbenheit und Selbstüberschätzung der Anwesenden besudelt. Es ist beispielsweise schwer, im Zuschauerbereich von Henley den Inhalt eines Bechers
Pimms
zu verspritzen, ohne damit jemanden zu treffen, der nicht die geringste Ahnung von der Kunst des Rudersports hat. Lassen Sie auf der Mitgliedertribüne von Lord’s eine Ratte von der Leine, und Sie scheuchen ein Dutzend Leute auf, von denen keiner Ihnen auch nur Grundbegriffe des Crickets darlegen könnte. Aber meine eigentliche Lieblingsveranstaltung während der Ballzeit ist und bleibt Glyndebourne. Sieht man über seine
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