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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag
Autoren: Andreas Schlüter
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Kirschblütenfest auch nicht viel zu tun. An den Buden gab es Bier und Würstchen wie überall sonst auch, also auch nur wieder eine umständlichere Art und Weise, betrunken zu werden. Und es gab noch einen Grund, auf keinen Fall zum Kirschblütenfest zu gehen: Fast seine ganze Schule würde dort sein und natürlich auch Jana mit Christoph Glasing. Dem Arsch.
    In diesem Moment hörte er auf zu singen, oder vielmehr hörte das Lied auf, sich durch ihn zu singen. Kein Laut. Kein Windhauch auf seinem Gesicht. Vor ihm glitzerte die Alster metallisch im Mittagslicht wie ein kostbares, gehämmertes Silbertablett. Für einen Moment blieb er wie benommen stehen, wie verloren, wie der Welt völlig abhanden gekommen. Das nächste Gefühl war Erleichterung, dass das seltsame Lied endlich zu Ende war.
    Huan hatte sich inzwischen weit von zu Hause entfernt und glaubte nicht mehr daran, dass Kurkuma bis hierher gelaufen war. Kurkuma musste etwas zugestoßen sein. Womöglich war er bereits tot.
    Niedergeschlagen wandte Huan sich ab, um nach Hause zurückzukehren - als er das Zeichen sah. Das Symbol.
    Jemand hatte es mit einem Finger in den Schmutz an der Rückseite einer Würstchenbude gemalt. Groß und deutlich. Im Grunde nicht zu übersehen und ohne jeden Zweifel das gleiche Zeichen, das Huan am Morgen unbewusst auf einen Werbeprospekt gekritzelt und das die Aufmerksamkeit seiner Mutter erregt hatte. Und in diesem Moment wurde ihm klar, dass ihn das Lied womöglich gar nicht zu Kurkuma hatte führen sollen, sondern zu dem Symbol. Und das ärgerte ihn. Er ärgerte sich über seine Träume, die ihm nichts weiter einbrachten als sinnlose Vorahnungen, seltsame Lieder, rätselhafte Symbole und Ärger mit seiner Mutter. Sobald es wirklich wichtig wurde, wenn ein Freund spurlos verschwand, zum Beispiel, versagten sie. Huan fühlte sich betrogen und benutzt. Daher beschloss er, sämtliche Zeichen und Ähnliches künftig zu ignorieren und weiter den Kater zu suchen. Er hatte bloß keine Ahnung, wo.
    Auf dem Anrufbeantworter zu Hause erwartete ihn bereits die Stimme seines Vaters und informierte ihn, dass er an diesem Abend noch länger in der Redaktion zu tun haben würde. Damit hatte Huan bereits gerechnet, schließlich stand die neue Ausgabe des Magazins, für das sein Vater arbeitete, kurz vor der Produktion. Seine Mutter hatte nach ihrer Tagschicht Bereitschaftsdienst, was bedeutete, dass sie die Nacht im Krankenhaus verbringen würde. Also würde Huan den ganzen Tag bis spät in die Nacht allein sein. Huan machte es nichts aus, allein zu sein. Wenn nur der rote Kater auftauchen würde.
    Huan kochte sich Spaghetti und wärmte sich fertige Nudelsoße dazu auf. Er aß langsam und konzentriert und dachte dabei an den Kater. Was mit ihm geschehen sein konnte. Wo er ihn noch suchen sollte. Wie sich sein Fell anfühlte. Wie sehr er ihn jetzt schon vermisste.
    Huan nahm ein Blatt Papier und einen Stift, um eine Liste mit den ihm bekannten Lieblingsstellen des Katers zu machen. Stattdessen jedoch zeichnete er das Symbol nach. Und trotz seines Ärgers über das Lied schien ihm das plötzlich eine wichtige und für das Auffinden des Katers notwendige Tätigkeit zu sein. Als er merkte, dass ihm das Nachzeichnen des Symbols eine gewisse Erleichterung verschaffte, spülte er hastig seinen Teller ab und holte einen Stapel Reispapier und seinen Tuschkasten. Er räumte den Esstisch frei und breitete Papier, Pinsel, Tusche und das Wasserschälchen sorgfältig vor sich aus. Einen Moment lang blieb er vor seinen Malsachen sitzen, bevor er einen der Tuschpinsel wählte, ihn vorsichtig in die Tusche stippte und dann mit entschlossenen, aber leichten Strichen begann. Er merkte schnell, dass das Symbol aus drei Strichen bestand. Dennoch fiel es ihm nicht leicht, die richtigen Proportionen zu treffen. Er zwang sich, jeweils nur ein Symbol auf ein Blatt zu tuschen, und legte das Blatt danach zum Trocknen auf den Boden. Es war seltsam, ein Zeichen zu malen, dessen Bedeutung ihm völlig unbekannt war. Manchmal dachte er, es stelle eine Gestalt dar, manchmal hielt er es für eine Art mittelalterliches Werkzeug. Je mehr er sich auf das Zeichen konzentrierte und versuchte, seine Idealform mit drei wie hingehauchten Strichen zu treffen, umso weiter schien es sich von ihm zu entfernen und ihn aus der Ferne zu rufen. Nur was, blieb unverständlich. Nach etwa zwölf Blättern verstand Huan immerhin zwei Dinge.
    Erstens: Das Symbol barg ein Geheimnis und eine
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