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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag
Autoren: Andreas Schlüter
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Antwort.
    Zweitens: Der Kater lebte. Noch.
    Huan konzentrierte sich noch stärker auf das Zeichnen. Aber mehr, als dass Kurkumas gegenwärtiger Aufenthaltsort sehr weit weg lag, weiter als eine Katze in einer Nacht marschieren konnte, zeigte ihm das Symbol nicht.
    Huan zeichnete in die Nacht hinein, die erste richtige Frühlingsnacht mit einer Luft, so weich wie Janas Nacken an jener geheimnisvollen und bislang nur ihm bekannten Stelle. In den letzten beiden Wochen hatte er jeden Augenblick an sie gedacht.
    Jeden. Verdammten. Augenblick.
    Umso mehr erstaunte es ihn, wie leicht es ihm nun fiel, den Gedanken an sie auszuschalten. Mit jedem Blatt, das er tuschte, schien eine Last von ihm abzufallen. Er dachte nur noch an Kurkuma und das Zeichen. Er wurde eins mit dem Zeichen und spürte eine seltsame Energie, die vom Papier durch den Pinsel in ihn hineinzitterte und ihn ganz und gar erfüllte. Etwas Großes war da um ihn herum, spannte sich auf zwischen Erde und Himmel, und Huan spürte, dass er -wie winzig auch immer - ein Teil davon war.
    Das war der Moment, als er mit dem Tuschen aufhörte. Er hatte fast acht Stunden ohne Unterbrechung gezeichnet, dennoch spürte er keinerlei Müdigkeit. Im Gegenteil. Er wollte sich bewegen. Rennen, rennen, rennen - auf einen Abgrund zu, und dann die Arme ausbreiten und fliegen.
    Die ganze Wohnung war mittlerweile bedeckt, bepflastert und tapeziert mit Tuschzeichnungen des Symbols. Das letzte Blatt, das vor ihm lag, erschien ihm immer noch nicht hundertprozentig perfekt, aber Huan war zufrieden.
    Es wurde Zeit zu gehen.
    Huan hatte keinen Zweifel, wohin er gehen sollte. Zu der Würstchenbude, an der er das Symbol zuletzt gesehen hatte. Irgendetwas wartete dort auf ihn, für das er sich erst hatte vorbereiten müssen. Jetzt, aufgeladen mit der Energie des Symbols, spürte Huan, dass es keinen anderen Weg für ihn gab. Das Zeichen rief ihn. Sehr deutlich.
    Dennoch zögerte Huan einen Moment. Eine kalte Hand griff nach seinem Herz, und er überlegte, ob er eine Nachricht für seine Eltern hinterlassen sollte, nur für den Fall, dass er sich verspätete. Oder um die vielen Zeichnungen zu erklären. Es mussten Hunderte sein. Seine Eltern würden sich wundern, und Huan hatte gelernt, dass ihm das nur Scherereien einbrachte. Aber Huan schüttelte die Angst und den Gedanken an seine Eltern ab und nahm sich vor, in jedem Fall zeitig genug wieder zurück zu sein, um die Blätter noch wegräumen zu können. Aber jetzt musste er los.
    Huan verließ das Haus gegen halb zehn. Er wusste, dass um zehn Uhr das japanische Feuerwerk beginnen würde. Das bedeutete, der Platz an der Alster um die Würstchenbude herum würde voller Menschen sein. Irgendwie beunruhigte ihn das. Aus einem ihm unbekannten Grund wollte er vor dem Feuerwerk dort sein. Also beeilte er sich.
    Von allen Seiten strömten Menschen zur Alster, herausgelockt von der milden Nachtluft. Huan bewegte sich schnell und geschmeidig durch die Dunkelheit, ohne zu rennen, dennoch hatte er Mühe, durchzukommen. Auf der großen Wiese wurde es noch schlimmer. Der ganze Platz war bereits dicht gepackt mit Menschen, Plastikbecher mit Bier und Würstchen in der Hand. Von irgendwo gewitterte Musik über den Platz. Verkleidete Werbeträger für Biermarken und Energydrinks wankten zwischen den Massen herum wie staunende Aliens. Huan entdeckte einige aus seiner Schule, beachtete sie aber gar nicht, sondern steuerte weiter auf die Stelle am Ufer zu, wo die Würstchenbude sein musste.
    Als er die Bude erreichte, sah er, dass das Symbol verschwunden war. Irgendwer hatte es abgewischt. Dann entdeckte Huan die Männer. Sie waren zu viert. Auf den ersten Blick wirkten sie wie Werbeträger, denn sie trugen auffällige anliegende Kleidung, fast wie Taucheranzüge, jedoch aus einem ganz anderen Material. Es wirkte weniger gummiartig, viel weicher und fließender, und flirrte in allen Regenbogenfarben. Und das war nicht bloß eine optische Täuschung. Die Anzüge der vier Männer flimmerten bunt wie ein schlecht eingestellter Fernseher. Das erregte ringsum natürlich Aufmerksamkeit, man zeigte auf die Männer, sprach sie an oder suchte den Laserprojektor in der Nähe, der die farbigen Muster auf die Kleidung zauberte. Aber die Männer reagierten gar nicht. Entweder gehörte das zu ihrem Job, oder sie verstanden einfach nicht, was man von ihnen wollte. Huan sah, dass die Männer einen kleinen Rucksack aus dem gleichen Material trugen. Und er verstand sofort, dass
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