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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag
Autoren: Andreas Schlüter
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schwitzend vor ihm stand.
    »Wo hast du deine neue Flamme gelassen?«, fragte Sariel statt einer Begrüßung. Biao blickte ihn nur an und schien die Frage zu überhören. Sariel vermutete schon, dass Shan bereits zu den Zhan Shi zurückgekehrt war, um sie zu Li zu führen. Biao schien überhaupt nicht in der Laune für irgendwelche Erklärungen zu sein, die Sariel ohnehin nicht verstanden hätte. Er wirkte jedoch aufgeregt wie vor einem großen Ereignis.
    »Okay, dann bring mich mal zum Krater!«, sagte Sariel und ließ sich von Biao auf seinen Rücken helfen. Augenblicklich setzte sich der große Kalmar in Gang und legte ein für ihn völlig unübliches Tempo vor. Er schien es ungeheuer eilig zu haben.
    Wie schon zuvor wuchs mit jedem Schritt das Gefühl, vollkommen allein zu sein und sich immer weiter aus dem Leben zu entfernen. Ein Gefühl, das nach und nach jeden anderen Gedanken verdrängte. Eine Art Schrecken, der umso schärfer wurde, je höher sie kamen. Eine uralte Furcht, die dem Menschen angeboren war und bald jede Faser von Sariels Körpers ergriff. Das Entsetzen, etwas Allmächtigem Auge in Auge gegenüberzustehen.
    Die Angst vor dem Bösen.
    Und das Böse war nahe. Sariel konnte es nun deutlich spüren, ein Zittern, das in Wellen durch den Boden lief und den Berg auf und ab rollte. Er hatte es bereits einmal in der Siringit erlebt und für ein Erdbeben gehalten. Nun jedoch wurde ihm klar, dass es etwas ganz anderes sein musste. Eher wie der Atem von etwas Großem, das tief unter dem Berg lebte und seine Anwesenheit bemerkt hatte.
    Mit jedem Schritt wurde es stärker und auch die Kalmare schienen es wahrzunehmen. Ihre Hautfarbe wechselte in ein stumpfes Violett, und Sariel fühlte, dass sie ebenso beklommen waren wie er selbst. Dennoch wurden sie nicht langsamer. Weder Kälte noch Höhenluft schien sie aufhalten zu können. Sariel dagegen atmete nur noch in kurzen Zügen und kämpfte bereits gegen die Kopfschmerzen und die Übelkeit an. Erst als er sich überwand, die bläulichen Mondtränen zu probieren, die Biao ihm abzupfte und mit einem Tentakel aufdrängte, wurde es besser.
    Und dann, am nächsten Morgen: der Krater. Die Wolken lichteten sich und blieben als geschlossene weiße Decke unter ihnen zurück. Der Kraterrand lag jetzt nur noch wenige hundert Meter voraus, grau, abweisend und stellenweise schneebedeckt. Bis jetzt hatte Biao Sariel getragen, ohne irgendein Anzeichen von Erschöpfung. Nun jedoch schien er zu zögern, aber nicht aus Furcht, sondern erwartungsvoll und ehrfürchtig wie vor einem ganz großen Tag.
    Sariel stieg ab und ging die letzte Strecke zu Fuß. Die Luft war klar und schneidend kalt. Die Wolken lagen nun weit unter ihm, ein aufgewühlter weißer Schaum, der im Morgenlicht rosig aufglühte. Darunter, wie für immer verloren gegangen, lag die Savanne, lag die ganze Welt und gehörte nicht mehr dazu. Der Anblick der Wolken war atemberaubend, doch als er den Kraterrand schließlich keuchend erreichte, sah er etwas, das alles übertraf, was er bislang auf Pangea gesehen hatte. Monströs und völlig fremdartig, nicht für menschliche Sinne geschaffen. Die Stadt.
    Als erster Mensch warf Sariel einen Blick auf die Stadt der Kalmare. Er hatte keinerlei Zweifel, dass er eine Stadt sah, nicht nur irgendwelche Bauten wie bei den Gigamiten. Da unten im Krater lag eine richtige Stadt, von intelligenten Wesen geplant und gebaut. Sie schien alt zu sein, sehr alt und verlassen, und Sariel verstand schlagartig, dass er die Stadt bereits längst in den Träumen seines alten Lebens gesehen hatte.
    Die Caldera des Ngongoni, die nach seiner Explosion vor Urzeiten übrig geblieben war, hatte einen Durchmesser von etwa zwanzig Kilometern, schätzte Sariel, und lag fast tausend Meter tiefer als der Kraterrand, der vor seinen Füßen steil nach unten abfiel. Sariel erkannte Gebäude von perfekten geometrischen Ausmaßen: Pyramiden, Quader, perfekte Kugeln und Polyeder, die gleißend das Sonnenlicht reflektierten. Sie alle besaßen, soweit Sariel erkennen konnte, keine Fenster oder Türen. Die Stadt lag noch zur Hälfte im Schatten des Kraters und erstreckte sich über die ganze Fläche der Caldera, jedoch mit unterschiedlicher Baudichte. Sariel konnte drei Zentren ausmachen, die jeweils von einer spitzen, turmartigen Pyramide überragt wurden. Die exakte Mitte der Caldera wurde von einem gigantischen flachen Gebäude beherrscht, das wie ein angeschnittener Elipsoid aussah. Irgendwelches Leben konnte
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