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Pandoras Tochter

Pandoras Tochter

Titel: Pandoras Tochter
Autoren: Iris Johansen
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wenn sie die Mädchen loswerden, und dass ich ihnen nur einen Gefallen tue.«
    »Du beeinflusst ihre Gedanken, veränderst ihre Realität.« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist ein angsteinflößendes Talent, Grady.«
    »Bist du Tausende von Meilen weit geflogen, um mir das zu sagen?«, fragte er ungerührt. »Begreifst du nicht, dass ich weiß, dass genau das das Hindernis ist? Ich habe dich zwölf Jahre lang kontrolliert, und im Unterbewusstsein fürchtest du, dass ich das wieder tun könnte. Ich kann dir schwören, dass ich es nicht mache – das verändert nichts. Die Möglichkeit besteht. Ich könnte stärker werden und du schwächer. Wer, zum Teufel, kann wissen, wie sich ein Talent entwickelt? Andererseits könnte ich die Kraft, die ich besitze, verlieren, und du wirst zu einer Art übersinnlicher Superfrau. Immerhin bist du eine Pandora. Das Potential ist da.«
    »Sag das nicht.« Sie schauderte. »Mir wird jedes Mal übel, wenn ich daran denke. Ich habe herumgepfuscht und konnte in Harley positive Kräfte wecken, aber ich könnte genauso gut eine Gefahr für die Menschheit sein. Was, wenn Harley nicht damit fertig geworden wäre? Wenn ich ihn auch vernichtet hätte? Ich habe in der letzten Zeit viel darüber nachgedacht. Der Schlüssel scheint ein Gefühlsausbruch zu sein. Aber wie intensiv müssen diese Gefühle sein? Meine Mutter wurde mehrere Male vergewaltigt, aber erst die letzte Gewalttat hat die Kräfte in ihr wachgerufen. Du hast gesagt, dass sie nie zuvor dieses Talent gezeigt hatte. Wieso hat es sich nicht manifestiert, als sie sich gegen ihren Mörder zur Wehr gesetzt hat?«
    »Vielleicht hat es das. Aber ich habe ihn so schnell getötet, dass er nichts davon gemerkt hat.«
    »Ich habe jahrelang Patienten behandelt, ohne dass etwas passiert ist. Selbst wenn es stimmt, dass sich dieses Talent erst zeigt, wenn man Mitte zwanzig ist, hätte es dann nicht wenigstens einen Hinweis darauf geben müssen? Vielleicht hat deine Kontrolle verhindert, dass es sich entwickeln konnte. Ich war wütend und hatte Schmerzen, als mir Sienna die Hand fast zerquetscht hat, aber das war nur für einen kurzen Augenblick. Gilt das als heftiger Gefühlsausbruch? Ich musste um mein Leben fürchten, als ich Harleys Hand ergriffen habe, und ich verstehe, dass das etwas ausgelöst hat. Und was hat Harley dazu gebracht, seine Gabe zu akzeptieren, und was hat Sienna in den Wahnsinn getrieben? Habe ich Sienna unbewusst getötet, weil ich ihn gehasst habe? Harley konnte eine Stunde, nachdem ich ihn berührt hatte, Renata heilen. Weshalb habe ich Sienna nicht sofort etwas angemerkt, aber warum ist er nicht gleich verrückt geworden wie Molinos Sohn?«
    »In dem Tribunal-Protokoll steht, dass ein Mann nach Rosa Devanez’ Besuch tot aufgefunden wurde«, sagte Grady. »Also scheint es nicht immer gleich abzulaufen.«
    »Aber wie kann man das beeinflussen? Kann der Vorgang unterbrochen werden, ehe der Wahnsinn anfängt? Auf welche Anzeichen soll ich achten?«
    »Das sind eine Menge Fragen.«
    »Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Mir schwirren noch tausend andere im Kopf herum. Und jede einzelne macht mir Angst.«
    »Und was willst du tun?«
    »Ich muss die Grenzen und Fallstricke kennenlernen. Ich kann nicht als Ärztin weiterarbeiten, solange ich nicht weiß, ob ich meinen Patienten schaden kann. Ich habe beschlossen, Renata zu bitten, mir die Chronik zum Lesen zu geben. Das wird nicht leicht. Vielleicht sperrt Renata mich ein und kettet mich an einen Tisch, während ich die Einträge studiere. Nach allem, was sie gesagt hat, ist die Chronik nicht nur ein riesiges Adressbuch. Sie haben die Familiengeschichte dokumentiert, und es muss Berichte über andere Pandoras geben. Wenigstens eine von ihnen muss herausgefunden haben, wie man mit diesem Talent umgeht. Das ist meiner Meinung nach die einzige Möglichkeit, mich zu informieren – vielleicht kann ich das Talent dann kontrollieren. Du müsstest mich verstehen. Du hast die Kontrolle.«
    »Ich könnte dir helfen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe etwas von Harley gelernt. Diese Pandora-Geschichte ist mein Talent oder mein Fluch. Es ist nicht so wie bei einer Lauscherin. Es ist zu gefährlich. Ich bin diejenige, die die Verantwortung für mein Tun übernehmen muss. Ich will niemand anderem die Schuld geben, wenn etwas passiert.«
    »Das klingt, als suchtest du die Einsamkeit«, sagte er leise.
    »O Gott, ich hoffe nicht.« Sie atmete tief durch. »Für mich ist es eine
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