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Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private

Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private

Titel: Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
Autoren: Don Winslow
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möchte. Manche Mütter sitzen rum und hören Mozart, damit ihre Babys auf den Geschmack kommen und die feineren Dinge zu schätzen lernen. Dee, Boones Mom, saß am Strand und kraulte sich im Rhythmus der Wellen den Bauch.
    Der noch nicht entbundene Boone konnte den Ozean nicht vom Herzschlag seiner Mutter unterscheiden. Hang Twelve nennt das Meer »Mutter Ozean«, aber bei Boone stimmt das wirklich. Brett Daniels, sein Dad, setzte seinen Sohn, noch bevor dieser die Trotzphase erreichte, vor sich auf das Surfboard, paddelte hinaus und hob ihn beim Wellenreiten auf seine Schulter. Zufällige Zuschauer, das heißt also Touristen, waren entsetzt und meinten: »Was, wenn Sie ihn fallen lassen?«
    »Ich lasse ihn nicht fallen«, antwortete Boones Dad.
    Als Boone ungefähr drei war, ließ ihn Brett absichtlich ins flache aufgewühlte Wasser fallen, damit er ein Gespür dafür bekam, damit er begriff, dass ihm nichts passieren würde, außer, dass er ein bisschen Wasser in die Nase bekam. Der kleine Boone tauchte auf, kicherte wie verrückt und bettelte: »Noch mal!«
    Immer mal wieder drohte ein missbilligender Zuschauer, die Kinderschutzbehörde einzuschalten, und Dee antwortete: »Das macht er doch – er beschützt sein Kind.«
    Was der Wahrheit entsprach.
    Zieht man ein Kind in Pacific Beach auf, weiß man, dass es aufgrund genetischer Veranlagung früher oder später auf einem Brett aufs Meer hinaus paddeln wird. Also bringt man ihm besser bei, wozu der Ozean imstande ist. Man bringt ihm besser bei, wie man im Wasser lebt, anstatt darin umzukommen, und das macht man am besten, solange das Kind noch klein ist. Man erklärt ihm Brandungsrückströme und Sogwirkungen. Man bringt ihm bei, nicht in Panik zu geraten.
    Sein Kind beschützen?
    Jetzt hören Sie mal gut zu: Wenn Brett und Dee Geburtstagspartys am Pool ihrer Wohnanlage feierten und Boones kleine Freunde vorbeikamen, rückte Brett Daniels einen Stuhl an den Rand des Pools und erklärte den anderen Eltern: »Nehmt’s mir nicht übel, habt viel Spaß, esst ein paar Tacos, genehmigt euch was zu trinken – ich bleibe hier sitzen und will nicht angesprochen werden.«
    Dann setzte er sich und ließ den Boden des mit Kindern randvoll gefüllten Pools keine Sekunde lang aus den Augen, weil Brett wusste, dass an der Wasseroberfläche nichts Schlimmes passieren würde. Weil er wusste, dass Kinder am Beckenboden ertrinken, wenn niemand hinsieht.
    Brett sah hin. Er saß dort, zen-buddhistisch konzentriert,bis das letzte Kind bibbernd herausgeklettert, in ein Handtuch gewickelt und losgezogen war, um gierig Pizza und Mineralwasser hinunterzuschlingen. Dann ging auch Brett etwas essen und gesellte sich zu den anderen Eltern. Nicht eine einzige nie wiedergutzumachende Tragödie ereignete sich bei diesen Partys, es gab keinen Anlass zu lebenslanger Reue. (»Ich hab doch nur einen Moment nicht hingeschaut!«)
    Sein Kind beschützen?
    Haben Sie eine Ahnung. Als Brett und Dee ihren damals siebenjährigen Jungen alleine in einen kleinen Beachbreak paddeln ließen, rutschte ihnen ihr kollektives Herz in die kollektive Hose. Mit Adleraugen passten sie auf, obwohl sie wussten, dass jeder Rettungsschwimmer am Strand und jeder Surfer im Wasser den jungen Boone Daniels ebenso wenig aus den Augen ließ und dass im Fall der Fälle gleich ein ganzer Mob aufgetaucht wäre, um ihn aus der Suppe zu fischen.
    Es war schwer, aber Brett und Dee standen da, als sich Boone aufrichtete und hinfiel, aufrichtete und hinfiel, aufrichtete und hinfiel – und dann wieder rauspaddelte und wieder und wieder, bis er sich aufrichtete und oben blieb und auf der Welle hereinritt, während ein Strand voller Menschen auf lässig machte und so tat, als sei nichts gewesen.
    Es war noch schwerer, als Boone knapp über zehn Jahre alt war und in das Alter kam, in dem er mit seinen Kumpels an den Strand gehen wollte, ohne dass Mom oder Dad auftauchten und ihn blamierten. Es war schwer, ihn gehen zu lassen, untätig zu bleiben und sich zu sorgen, aber auch das gehörte zum Schutz des Kindes, zum Schutz vor einer nicht enden wollenden Kindheit. Sie vertrauten darauf, dass sie ihren Job erledigt und ihm beigebracht hatten, was er wissen musste.
    Mit elf Jahren war Boone also ein klassischer Gremmie.
    Ein Gremmie ist die Rache der Natur.
    Ein Gremmie, auch Grom genannt, ist ein langhaariger, von der Sonne blondierter, braungebrannter, vorpubertärer, nerviger kleiner Surferarsch. Ein Gremmie ist die kosmische Strafe für
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