Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private

Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private

Titel: Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
Autoren: Don Winslow
Vom Netzwerk:
am richtigen Fleck, genau zur richtigen Zeit. Sie stemmt sich hoch und sieht sich nach den Jet-Ski-Crews um. Sie liegen weiter hinten, warten auf die nächsten Wellen.
    Die nächste Welle ist hier, Jungs, denkt sie und sieht Mackies Jet-Ski anfahren, locker schnell genug, um ihr die Welle wegzuschnappen. Aber dann paddelt High Tide zwischen Mackies Jet-Ski und sie. Tim, das Wunderkind, würde ihn schon überfahren müssen, und mit ihm legt er sich lieber nicht an. Nicht mit High Tide.
    Normalerweise wäre sie jetzt genervt, aber sie hat sich ja bereits am Strand klar ausgedrückt und längst wieder abgeregt. Bei der Dawn Patrol passt man aufeinander auf, und das akzeptiert sie.
    Die Welle gehört mir, denkt sie, legt sich flach auf ihr Board, dreht es in Richtung Strand. Sie paddelt los, blickt über die Schulter und sieht, wie sich die große Welle hinter ihr aufbaut. Sie senkt den Kopf und spürt, dass die Welleihr Board erfasst, es wie einen Holzsplitter hochreißt und dann –
    Dann steht sie auf dem Gipfel der Welt.
    Sie sieht alles – den Ozean, den Strand, die Stadt, die grünen Hügel hinter der Stadt. Sie sieht die Zuschauermenge am Strand, sieht, dass sie beobachtet wird, sieht die Fotografen, die ihre großen Kameras auf den Stativen auf sie richten. Sie sieht ein kleines Boot heranfahren, Fotografen sitzen darin und kommen nahe genug heran, um Aufnahmen zu machen, aber nicht so nah, dass sie ihr in die Quere kämen. Über ihr rattert ein Helikopter heran und sie weiß, dass Videofilmer mit der Kamera im Anschlag darin sitzen und sie auf der Welle filmen wollen.
    Wenn ich die Welle reite, denkt sie und geht auf die Knie, macht sich bereit, in Stellung zu springen.
    Scheiß auf wenn.
    Es gibt kein wenn.
    Dann hört sie auf zu denken.
    Die Zeit zum Denken ist vorbei; jetzt zählen nur noch Instinkt und Aktion.
    Plötzlich sinkt die Nase des Boards ab und sie stellt sich auf die Beine, verankert die Füße fest, ihre Wadenmuskeln sind angespannt. Auf dem Wellenkamm scheint die Zeit eine Sekunde lang stillzustehen. Sie denkt, ich bin zu spät. Ich hab’s verpasst. Dann …
    Das Board saust herunter.
    Sie beugt sich vor, gerade genug, um richtig aufzukommen, nicht so sehr, so dass sich die Boardspitze in die Welle gräbt und sie fällt. Sie streckt die Arme aus, um das Gleichgewicht besser zu halten, geht leicht in die Knie, um Tempo zu gewinnen, und los geht’s, direkt über die Frontseite der gigantischen Welle. Ihr Haar flattert hinter ihr her wie ihre persönliche Flagge, während sie die Füße ein kleines bisschen nach rechts korrigiert und die Welle höher hinauffährt, dann wieder in unglaublichem Tempo hinunterrast.
    Zu viel Tempo.
    Das Board bäumt sich auf, springt vom Wasser ab und eine Sekunde lang hängt sie in der Luft, das Board gute dreißig Zentimeter unter ihr. Sie landet wieder darauf, verliert das Gleichgewicht, schlenkert zur Seite mitten in die Welle hinein.
    Die Zuschauer am Strand stöhnen auf.
    Das wird übel ausgehen.
    Sunny spürt ihre Chance entgleiten und sie lenkt nach links, geht tief in die Hocke und korrigiert ihre Haltung, während sich die Welle über ihr überschlägt und dann …
    Sie ist im Green Room, vollkommen von der Welle eingeschlossen. Es gibt nichts mehr außer ihr und der Welle, ihr in der Welle, ihrer Welle, ihrem Leben.
    Die Zuschauer verlieren sie aus den Augen. Sie halten kollektiv den Atem an, denn außer der Welle können sie nichts sehen, die unglaublich mutige Braut ist irgendwo da drinnen und die Frage, ob sie auch wieder rauskommt, ist völlig offen.
    Dann spritzt ein Strahl Weißwasser seitlich aus der Tube und die Frau schießt heraus, noch immer auf den Beinen, ihre linke Hand berührt den Rücken der Welle und die Menge bricht in Jubel aus. Sie schreien für sie und johlen, als sie noch einmal auf die Welle hinaufgleitet.
    Jetzt fliegt sie und nutzt die Fahrt, um oben über den Wellenkamm zu reiten.
    Sie ist in der Luft, hoch oben auf der Welle, und als sie vom Board springt, vollführt sie eine komplette Drehung in der Luft, bevor sie auf der anderen Seite der Welle ins Wasser springt.
    Als sie wieder auftaucht, ist Dave auf seinem Jet-Ski da. Sie hält sich am Schlitten fest, zieht sich hoch, ihr Board hinterher und lässt sich von ihm an den Strand fahren.
    Die Menge wartet auf sie.
    Sie wird von Fotografen, Journalisten, Vertretern für Surferequipment umringt.
    Es war der Ritt des Tages, behaupten sie.
    Nein, denkt sie.
    Das war der Ritt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher