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P., Thomas

P., Thomas

Titel: P., Thomas
Autoren: Der Rache Engel
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wurde ich schließlich zum Unteroffizier ernannt, als jüngster in Deutschland,
mit Urkunde und Unterschrift von Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Und
danach habe ich mich umgehend in eine Ausbildungseinheit versetzen lassen, denn
so viel war klar für mich: Ich wollte ein Ausbilder sein. Die
Null-Bock-Mentalität mancher Wehrpflichtiger würde es bei mir nicht geben.
Nein, ich wollte denen zeigen, wie der Hase läuft. Bei meinen Jungs würde es
sicherlich etwas härter und anstrengender zugehen, aber dafür könnten alle
meine Jungs auch immer stolz auf das sein, was sie geleistet haben. Und so
wurde ich zum Schleifer...
     
    2.
     
    Ich war zuständig für die Kernausbildung, musste die
jungen Rekruten an Handfeuerwaffen einweisen, mit ihnen marschieren und
Orientierungsläufe machen. Später dann beantragte ich, nur noch die
Grundausbildung durchfuhren zu dürfen. Den Leuten, die zum Bund kamen, wollte
ich von Anfang an zeigen, wo der Hammer hängt. Vor allem aber den Zeitsoldaten,
die ich immer härter rangenommen habe. Denn die sollten schon sehr früh lernen,
worauf sie sich eingelassen hatten.
    Ich sah zu jener Zeit noch immer aus wie ein 15-jähriger
Schuljunge. Und doch hatten alle Respekt vor mir. Das lag wohl daran, dass ich
alles, was ich einforderte, auch selbst erbrachte. Ich bin die gleichen Wege
gegangen, habe dasselbe Gepäck getragen und dieselben Strapazen erlitten wie
meine Rekruten. Was ich von ihnen verlangte, konnte ich stets selbst erbringen.
Eine Eigenschaft, die bei Bundeswehrausbildern wenig verbreitet war.
    Ich war zwar schmächtig und klein, aber auch ausdauernd
und zäh. Ich hatte ja schon in der Schule immer viel Sport getrieben, und als
Ausbilder lief ich abends immer noch ein paar Extrarunden in der Kaserne. Meine
Jungs indes waren mir am Ende ihrer Ausbildungszeit immer recht dankbar. Sie
waren fix und fertig, aber glücklich. Weil es ihnen etwas gebracht hatte. Für
den Rest ihrer Dienstzeit - und fürs Leben. Und wenn es nur das Wissen war,
dass man vieles aushalten kann und die eigenen Grenzen lange nicht so eng
gesteckt sind, wie viele das vielleicht geglaubt hatten.
    Am 1. Juli 1995 wurde ich zum Stabsunteroffizier
befördert. Leider hatten meine Schwierigkeiten da schon längst begonnen.
     
    3.
     
    Es war ein Geländetag. Eine Übung, bei der meine Gruppe
das Feindkommando mimte. Normalerweise gingen diese Gruppen mit einer gewissen
Null-Bock-Mentalität und exakt nach abgesprochenem Schema oder zumindest sehr
berechenbar vor. Aber: Wo gibt es das denn, dachte ich mir. Im Ernstfall konnte
man sich doch auch nicht darauf verlassen, dass der Feind genau das macht, was
man gerne gehabt und von ihm im Vorfeld auch erwartet hätte.
    Es hieß, es seien Fallschirmspringer abgesprungen. Für
mich war klar, dass diese Fallschirmspringer natürlich auch hinter der eigenen
Linie hätten landen können, und ich bereitete meine Jungs darauf vor, auf einen
Angriff von hinten gefasst zu sein. So etwas war bei der Bundeswehr anscheinend
nicht vorgesehen. In meiner Vorstellung von optimaler Vorbereitung auf den
Ernstfall aber schon.
    Ich hatte meine Gruppe also geteilt. Die eine Hälfte
sollte als Kanonenfutter und wie vorgesehen übers freie Feld laufen, während
ich der anderen Hälfte das sogenannte »einsickern und umgehen« befahl. Das
hieß, dass wir weiträumig um das Kampfgebiet herummarschieren und uns von
hinten annähern wollten. Was wir dann auch taten.
    Als ich mit meiner kleinen Gruppe einmal ums Kampfgebiet
herumgeschlichen war, robbten wir uns an die Stellung heran, »glitten heran«,
wie das offiziell und im üblichen Jargon hieß, und eröffneten dann einfach
»das Feuer«. Ich selbst hatte keine Schusswaffe dabei, aber das etwas
martialische Rambo-Messer, das mir meine Jungs einmal geschenkt hatten. Und als
sich die jungen Rekruten auch nach mehreren Schüssen mit unseren Platzpatronen
nicht umgedreht hatten, sondern wie nasse Säcke in ihren Stellungen lagen,
brannte bei mir eine Sicherung durch.
    Ich brach einen Ast von einem Baum, spitzte ihn an, rannte
los, sprang in den Kampfstand, rammte den Pfahl in die Erde, packte einen
dieser lebensmüden Lahmärsche und strich ihm mit der stumpfen Seite des
Messers an der Kehle entlang. Sanft, aber so druckvoll, dass er den kühlen
Stahl mehr als deutlich spürte. Und dann sagte ich leise: »Du bist tot.« Mehr
nicht.
    Der gemütliche Kollege hatte damit wohl nicht gerechnet,
so kurz nach dem Mittagessen. Das war ja
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