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P., Thomas

P., Thomas

Titel: P., Thomas
Autoren: Der Rache Engel
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auch überhaupt nicht besprochen oder
im »Handbuch für idiotische Soldaten« nachzulesen. Der Junge wäre fast
kollabiert, zitterte am ganzen Leib und winselte nur noch unverständliche
Dinge. Leider habe ich es damit aber nicht gut sein lassen, denn ich war noch
immer in Rage. Der Junge hätte meiner Meinung nach einfach mal kapieren müssen,
dass man sich so als Soldat nicht verhielt. Und zwar ganz egal, ob es eine
Übung oder der Ernstfall war. Ich schrie den jungen Rekruten an: »Knie dich
hin« - was er dann auch tat, denn stehen konnte er mit seinen zittrigen Beinen
ohnehin nicht mehr. Die Jungs entsicherten ihre Waffen, stellten auf Abzug,
während ich dem knienden Soldaten vor mir langsam den Gewehrlauf in den Mund
steckte. Und dann spielten wir ein bisschen Hinrichtung ...
    Heute weiß ich, dass mir damals alle wichtigen Sicherungen
durchgebrannt waren. Aber ich wollte meinen Rekruten einfach zeigen, was alles
passieren kann. Ich denke, der Junge hatte es am Ende verstanden und alle
anderen, die dabei waren, auch. Aber es war natürlich ein massiver Verstoß
gegen alle Bestimmungen der Bundeswehr. Und das hätte mir als Mustersoldaten
natürlich auch klar sein müssen. Aber ich hatte bereits genügend Einsätze
erlebt und wusste, was Krieg bedeutete. Wer einmal in einem Auslandseinsatz
war, reagiert in einer Militärübung vermutlich anders - auch wenn es sich nur
um die Lüneburger Heide handelt. Eine Armee ist nun mal kein Kegelverein. Ich
konnte es nicht ertragen, wenn Menschen es als selbstverständlich hinnahmen,
dass sie noch am Leben waren. Und manche hatten tatsächlich Glück gehabt, dass
sie überhaupt noch lebten. Und dass sie noch lebten, war oft allein nur das Verdienst
eines anderen.
     
    4.
     
    Die Sache kam natürlich vor Gericht. Glücklicherweise
sagten meine Vorgesetzten für mich aus, und gottlob konnten wir ein paar
Haupt- und Nebensächlichkeiten etwas abmildern. Der Junge, den ich so in die
Mangel genommen hatte, zeigte sich kooperativ, und ich bekam nur die
Mindeststrafe: zwei Jahre Beförderungssperre und ein wenig Gehaltsabzug für ein
halbes Jahr. Das war's dann aber auch in der Bundeswehr. Am 15. April kam das
Urteil, im Anschluss brachte ich noch meine Dienstzeit zu Ende und wurde
schließlich Ende 1997 ehrenhaft entlassen. Immerhin. Mehr war nicht mehr drin.
Für eine Verlängerung meiner Dienstzeit war dieses Urteil einfach nicht
förderlich.
     
    4. Der Türsteher: Schlagende
Argumente
     
    1.
     
    Meine Ersatzfamilie, die Bundeswehr, war also
Vergangenheit. Ich war wieder auf mich alleine gestellt und fiel in ein
gewaltiges Loch. Immerhin hatte ich beim Bund noch eine Ausbildung zum Bürokaufmann
gemacht - mit einem Abschluss, der im Zivilleben auch anerkannt wurde. Aber das
nutzte mir »draußen« erst mal nichts. Ich hatte gelernt, wie ich im
dreckigsten Krieg überleben könnte, aber wie ich das tägliche Leben meistern
sollte, davon hatte ich keine Ahnung. Ich hätte mich in Afghanistan
zurechtgefunden, aber Aurich war zu jener Zeit eine Nummer zu groß für mich.
    Ich meldete mich arbeitslos und beging einen Fehler, den
ich als ein Kind mit meiner Vergangenheit einfach nicht hätte begehen dürfen:
Ich fing an zu saufen. »Springer Urvater«, ein schöner Weinbrand von der Sorte
»Pennerglück«, war fortan mein Hauptgetränk. Und zwar schon am Morgen. Das
ging über Wochen hinweg so, und ich resignierte immer mehr.
    Zu jener Zeit trennte sich zu allem Überfluss auch noch
meine damalige Freundin von mir. Das heißt, sie trennte sich nicht, sie sagte
wörtlich: »Ich brauche etwas Zeit zum Nachdenken«, was für mich nichts anderes
als Trennung bedeutete. Es war ohnehin keine Beziehung mit Zukunft, aber da ich
zu jener Zeit nicht sonderlich stabil war, gab mir ihre Ansage den Rest. Ein
guter Freund meinte daraufhin: »So, wir gehen jetzt auf Tour.« Das war nun aber
genau das, worauf ich am allerwenigsten Bock hatte. Und so schlappte ich los.
Mit Bermudashorts und Turnschuhen - einem Aufzug, in dem man selbst in
Ostfriesland nicht in die Disco ging. Wie ein beschissener Penner. Der ich ja
damals im Grunde auch war. Zumal sich nach der Trennung von Bund und Frau, mit
dem Alkohol und der Sinnlosigkeit meines Lebens irgendwann auch sehr viele
Aggressionen angestaut hatten.
    Da passte es gut, dass ich in dieser Diskothek natürlich
auch gleich meine »nachdenkliche« Freundin entdeckte. Auf dem Schoß eines
Typen, sich gegenseitig ableckend und befummelnd. Ich ging zu dem
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