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P. S. Ich töte dich

Titel: P. S. Ich töte dich
Autoren: Sebastian Fitzek
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Hürde bereits genommen.«
    »Was soll ich tun?«
    Was zum Teufel ist die zweite Hürde?
    »Du musst dich deiner Angst stellen«, riet ihm der Psychiater.
    Angst ist die Giftschlange des Todes,
erinnerte sich Martin an eine weitere Lebensweisheit seines Vaters.
    Füttere sie nicht zu oft, sonst zieht sie dich in ihr Nest.
    »Wie?«, fragte er.
    Wie soll ich mich der Angst stellen?
    »Geh zu Nadja hinein.«
    »Das kann ich nicht.«
    »Ruhig, Martin. Ganz ruhig. Atme tief durch und sprich mir nach: Es gibt keine Zettel. Keine Befehle. Das alles ist nicht real.«
    Martin wiederholte die Worte seines Freundes, ohne wirklich daran zu glauben.
    »Aber was, wenn ich selbst die Zettel dort plaziert habe?«, fragte er danach. »Was, wenn ich wirklich eine Gefahr bin?«
    Er hörte, wie Gorman ungeduldig mit der Zunge schnalzte.
    »Das bist du nicht. Glaube mir, Martin, ich kenne dich zu gut. Darüber haben wir in all den Sitzungen doch schon hundert Mal gesprochen. Du würdest keinem Menschen etwas zuleide tun. Erst recht nicht deiner Frau. Du liebst sie, oder?«
    »Ja.«
    »Und du hast keine Waffe in deiner Hand?«
    »Nein.«
    »Nichts, womit du Nadja gefährlich werden könntest, richtig?«
    »Richtig.«
    Während sie sprachen, war Martin ziellos im Zimmer auf und ab gelaufen. Jetzt hielt er atemlos inne, direkt vor der geschlossenen Badezimmertür.
    »Geh hinein«, sagte Gorman. »Öffne die Tür, schau ihr in die Augen. Umarme sie. Du wirst sehen, dann ist der Bann gebrochen. Du bist nicht gefährlich. Du wirst deiner Frau nichts tun.«
    Martin nickte und legte seine zitternden Finger auf die Türklinke. Plötzlich presste er die Hand auf den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken.
    »Was?«, fragte Gorman.
    »Da ist noch einer.«
    »Wer ist da noch?«
    »Ein Zettel.«
    Martin ging in die Knie. Sein Zeigefinger strich über die roten Druckbuchstaben auf dem rauhen Klopapier, so wie vorhin der Finger des merkwürdigen Mannes an der Rezeption über das leere Reservierungsbuch. Diesmal war die Nachricht offenbar mit einem Lippenstift verfasst worden.
    »Glaub nicht, was du siehst«, sagte Gorman. »Es gibt keinen Zettel.«
    »Doch«, widersprach er. »Ich halte ihn gerade in meiner Hand!«
    Dann las er die Nachricht ab:
    Geh ins Badezimmer. Töte sie!
    Gorman stöhnte entnervt.
    »Du irrst dich. Darüber haben wir doch schon so oft gesprochen. Das alles geschieht nur in deinem Kopf, verstehst du?«
    »Nein, ich verstehe nichts«, sagte Martin, und das entsprach der Wahrheit.
    Hinter der Holztür quietschte ein Wasserhahn. Das Rauschen hatte aufgehört. Die Stille, die jetzt das gesamte Hotelzimmer verschluckte, wirkte wie ein Fremdkörper. Fremd und unwirklich.
    Wie ein Zettel, der aus einer Bibel fällt.
    »Nimm dich zusammen, Martin, du schaffst das.«
    »Meinst du wirklich?«
    »Ja. Alles, was du tun musst, ist, durch die Tür vor dir zu gehen. Ist sie verschlossen?«
    »Nein«, sagte Martin nach einem kurzen Blick auf das Schloss. »Ich glaube nicht.«
    »Dann los. Klopf an. Ruf ihren Namen.«
    Ich kann das nicht
, dachte Martin und war am Ende selbst erstaunt, dass er es doch fertigbrachte.
    »Nadja?« Er klopfte zaghaft an die Tür, das Handy immer noch an seinem Ohr.
    »Lauter«, riet ihm Gorman, doch Martin fühlte sich bereits durch sein Flüstern erschöpft. Um sich besser konzentrieren zu können, legte er das Telefon auf den Boden. Direkt neben das Stück Toilettenpapier mit der Lippenstiftbotschaft.
    … Geh rein. Töte sie. Sonst …
    »Los, weiter«, drängte Gorman, doch Martin konnte ihn schon nicht mehr hören. Er hatte sich wieder aufgerichtet und begann zu zählen. Bei drei wollte er die Tür aufreißen. Letztlich kam er nicht mehr dazu. Seine Frau war schneller.
    ◊
    Mit Nadja drang ein Schwall heißer Luft in das Schlafzimmer. Ihre warme Haut war gerötet, und ihre glänzenden, langen Haare dufteten nach Lavendel.
    »Was hast du?«, fragte sie erschrocken, als Martin ihr ins Gesicht fassen wollte. Sie wich zurück. Ihr Lächeln gefror und wich einem undefinierbaren Gefühlsausdruck.
    »O Nadja«, hörte Martin sich selbst schluchzen. Er zitterte vor Erschöpfung, und ihm wurde schwindelig. Er wankte in das überhitzte Badezimmer und setzte sich, bevor er vollends das Gleichgewicht verlor, auf den geschlossenen Toilettendeckel. Langsam lichtete sich der Dampf, der die hässliche Einrichtung bislang verhüllt hatte. Der Duschvorhang hing nur noch an drei von zehn Ringen auf der Schiene, mehrere
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