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P. S. Ich töte dich

Titel: P. S. Ich töte dich
Autoren: Sebastian Fitzek
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zweiten Zettel gefunden hatte. Er stand direkt vor dem schlierigen Fenster seines Hotelzimmers und starrte auf eine Batterie Mülltonnen in einem verschneiten Hinterhof.
    »Ist was passiert?«, fragte Dr. Gorman mit belegter Stimme. Man konnte ihm anhören, dass er überlegte, ob das Telefonat noch Teil des Traums war, aus dem Martin ihn gerade gerissen hatte.
    »Ja. Ich glaube ja. Wir haben sie zu früh abgesetzt.«
    Martin hörte das Rascheln von Bettwäsche, dann:
    »Der Reihe nach. Was ist los bei dir?«
    »Ich habe wieder Visionen.«
    »Stimmen? Hörst du Stimmen?«
    »Nein«, antwortete Martin seinem Freund und Psychiater. »Diesmal ist es haptisch. Ich finde Nachrichten.«
    Gorman seufzte und entschuldige sich bei jemandem im Hintergrund, vermutlich seiner Frau, die nun ebenfalls aufgewacht war. Während der Psychiater offensichtlich das eheliche Schlafzimmer verließ, um ungestört reden zu können, legte Martin die zweite Botschaft, die er unmittelbar vor der Eingangstür gefunden hatte, auf das Fensterbrett. Er drehte den Zettel um, denn er wollte den Befehl nicht noch ein zweites Mal lesen müssen.
    Töte sie!
    »Wo zum Teufel bist du gerade?«, meldete sich Gorman wieder.
    Martin seufzte.
    »Die Pension nennt sich Hotel Vier Jahreszeiten, klingt hochtrabend, ist aber nur eine windschiefe Bude am Rande einer Landstraße irgendwo zwischen Hof und Plauen.«
    »Was hast du da verloren?«
    »Wir wollten verreisen, ein spontaner Entschluss. Du selbst hast doch gesagt, etwas Sonne würde nicht schaden.«
    Tatsächlich hatte Gorman ihm die Idee mit den zweiten Flitterwochen in den Kopf gesetzt, zur Feier der Entwicklung, dass die medikamentöse Behandlung endlich erste Erfolge zeigte. Und das nicht nur bei Martin. Mit den Stimmen in seinem Kopf verschwanden zuerst die Erschöpfung und schließlich der Trübsinn aus Nadjas Seele. Nicht sofort, sondern in kleinen Schritten, die sie nun aber wieder mit ihrem ansprechbaren Ehemann gemeinsam zurücklegen konnte.
    »Als ich sagte, ihr sollt mal Urlaub machen, um wieder zueinanderzufinden, meinte ich die Karibik oder den Indischen Ozean, nicht den Frankenwald«, sagte Gorman.
    »Wir wollten ja auch auf die Malediven. Scheiße, das war einfach so eine fixe Idee, weil es uns beiden wieder bessergeht; wir haben gar nicht lange nachgedacht.«
    Martin sah kurz zur Badezimmertür; das Rauschen des Wassers hielt unvermittelt an.
    »Wir wollten heute noch abfliegen, aber die einzige freie Maschine ging von Leipzig aus, also haben wir uns ins Auto gesetzt und sind losgefahren. Leider ohne Winterreifen. Als ich zum Pinkeln kurz im Wald halten wollte, hab ich die Karre festgefahren. Und auf dem Weg zur nächsten Werkstatt sind wir dann hier vorbeigekommen.«
    Hier, in diesem Drecksloch.
    Schon das kaputte Neonschild über dem Eingang des Hotels war eher eine Warnung als eine Einladung. Und der Mann an der Rezeption hatte sie wie Außerirdische angestarrt, als sie einchecken wollten.
    »Ein Zimmer?«,
hatte er nachgefragt und dabei die Stirn in Falten gelegt, als könnte er sich nur dunkel daran erinnern, so etwas in seinem Hotel anzubieten. Dabei hatte er mit seinem behaarten Zeigefinger über das leere Papier eines Reservierungsbuchs gestreichelt. Schließlich hatte er ihnen wortlos den Schlüssel mit der Nummer 211 gereicht, noch bevor Martin Nadja vorschlagen konnte, doch besser ein anderes Hotel zu suchen.
    Gorman räusperte sich, dann fragte er vorsichtig:
    »Okay, und jetzt hörst du wieder diese unheimlichen Botschaften?«
    »Nein, ich höre sie nicht. Ich
sehe
sie. Gottverdammt, ich hätte die Pillen nicht so früh absetzen dürfen. Sag mir bitte, was ich machen soll, Jonas. Nadja kommt in zwei Minuten aus dem Bad. Wir waren gerade wieder über dem Berg, ich darf das nicht schon wieder versauen, verstehst du? Du musst mir helfen.«
    »Was sind das für Nachrichten?«
    »Befehle!«
    Martin erzählte ihm von der Drohung und auch von dem zweiten Zettel, den er direkt vor der Tür gefunden hatte.
    »Du sollst Nadja töten?«
    »Ja.«
    Stille. In den folgenden Sekunden sagte sein Freund und Kollege kein Wort. Dann, es war bestimmt eine halbe Minute vergangen,
     seufzte Gorman:
    »Hör mir gut zu. Ich weiß, das ist jetzt schwer zu verstehen, aber du musst dich auf meine Worte konzentrieren, ja?«
    »Ich versuch es.«
    »Du hast vermutlich recht.«
    »Es geht wieder los?«
    »Ja. Aber das ist nicht schlimm, verstehst du? Dadurch, dass du mich angerufen hast, hast du die erste
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