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Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Titel: Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut
Autoren: Eva Almstädt
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ist mit einer Sperrholzplatte geflickt, und die Haustür sieht schmutzig und abgestoßen aus. Der Müll neben dem Haus türmt sich zwei Meter hoch: Bretterstapel, Fässer, ein Kinderwagen ohne Räder, eine Waschtrommel, eine kaputte Gartenbank. Ich kenne diese Klientel, die Krimskrams hortet, von dem sie glaubt, dass es irgendwer irgendwann angeblich noch einmal gebrauchen kann … Und ich hatte Tamara erzählt, ich würde sie schick zum Essen ausführen.
    »Was willst du hier?«, fragt sie mich misstrauisch. »Ich dachte, wir gehen in ein Restaurant.«
    »Wir müssen vorher noch was erledigen. Gemeinsam. Komm mit, es dauert nicht lange.«
    Sie lässt sich von mir aus dem Wagen helfen, fröstelt in ihrem dünnen Kleid. Ich lege den Arm um sie, führe sie zum Eingang und klopfe gegen die Türfüllung.
    »Was soll das werden, Martin?«, fragt sie störrisch.
    Mehr vorsorglich als fürsorglich ziehe ich sie ein Stück näher zu mir heran. »Vertrau mir, Kleines«, flüstere ich. Drinnen geht das Licht an, und ich höre, wie sich ein Schlüssel im Schloss dreht. »Du musst gar nichts sagen. Lass mich das machen.«
    Marthe Vorhusen, eine kräftige Frau mit rotem Gesicht und krausem Haar, öffnet uns die Tür. Sie nickt, seufzt und fordert uns auf einzutreten. Wir folgen ihr durch einen engen Flur. Es riecht nach frisch gewaschener Wäsche und gekochten Bohnen. In der Küche sitzt ein Mann am Tisch und raucht. Sie schickt ihn barsch hinaus, wie einen Hund, und räumt dann den Tisch leer. Sie macht das gewiss nicht zum ersten Mal, denke ich. Ich muss da auf Eveline vertrauen. Frauenangelegenheiten – sie weiß, was da das Richtige ist.
    Marthe Vorhusen breitet eine PVC-Decke mit Klatschmohn-Muster auf dem Küchentisch aus und streicht sie glatt. »Wie weit?«, fragt sie.
    Tamara zuckt, und ich spüre, wie sie sich in meinem Arm versteift. »Noch nicht sehr weit«, sage ich, »aber zu spät, um es offiziell zu machen.«
    Die Frau verzieht missbilligend ihr Gesicht.
    »Was soll das?«, wispert Tamara.
    »Ich habe nachgedacht, Kleines. Du bist zu jung, um dir so die Zukunft zu verbauen. Es dauert nicht lange, und alles ist wieder in Ordnung.«
    »Ich will das Kind behalten«, flüstert sie mir ins Ohr. Sie klingt trotzig, als wäre sie erst sieben und nicht siebzehn.
    »Es ist noch kein Kind. Es ist nichts als ein Zellhaufen. Der Eingriff dauert nur ein paar Minuten. Du weißt, dass ich dabei einzig und allein an uns beide denke.«
    Sie sträubt sich nicht allzu sehr. In Wirklichkeit hat sie Angst davor, ein Kind zu bekommen. Ich höre an ihrem Ton, dass sie das, was kommen wird, bereits akzeptiert hat. Sie lässt sich von mir auf den Küchentisch helfen, und die Frau drückt ihre Beine auseinander.
    Ich sehe weg, spüre nur Tamaras kalte Hand, die sich an mich klammert. Die Tischdecke aus PVC berührt meinen Arm. Sie fühlt sich klebrig an. Ich will nicht daran denken, was diese Frau dort gerade tut, und versuche, mich abzulenken. Ich betrachte die Küchenschränke mit den senfgelben Türen und die Lebensmittelpackungen, die darauf abgestellt sind, als wäre das hier ein Verkaufsraum: Cornflakes, Nutella, Kakao, Pulver für Erdbeermilch, Bananenmilch … alles süß.
    Dann ist es vorbei. Marthe Vorhusen wäscht sich am Spülstein die Hände. Tamara richtet sich auf.
    Ich ziehe den vorbereiteten Umschlag mit den zweitausend Mark hervor. Viel Geld, aber die Sache ist es mir wert.
    Die Frau zählt langsam nach, die Zahlen mit den Lippen formend. Sie nickt. Der Mann lauert plötzlich im Türrahmen und starrt uns an. Marthe Vorhusen lässt den Umschlag in ihre Kittelschürze gleiten. Sie blickt zu Tamara hinüber und scheint zu überlegen, dann tritt sie näher an mich heran. Ich kann ihren Schweiß riechen. Sie drückt mir eine Papiertüte in die Hand. »Davon müssen Sie Tee aufbrühen und sie ganz viel davon trinken lassen. Und wenn es Probleme gibt, fahren Sie die Kleine sofort zum Arzt!«, sagt sie leise.
    »Wieso Probleme?«
    »Gehen Sie jetzt.«
    Ich atme auf, als wir wieder draußen sind. Tamara klettert in den Wagen und lässt sich matt in den weichen Ledersitz sinken. Ich habe auf Evelines Rat hin vorher vorsorglich eine große Plastiktüte darauf ausgebreitet. Es knistert. Als ich anfahre, schließt Tamara die Augen. Ich fühle mich sofort besser. Der Lüfter meines Wagens surrt leise, und aus den Düsen tritt bald warme, wohlriechende Luft.
    »Du hast es hinter dir«, sage ich, nachdem wir eine Weile schweigend durch
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