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Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Titel: Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut
Autoren: Eva Almstädt
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wurde.
    »Es hat keinen Sinn, darauf etwas zu antworten. Es hat heute offensichtlich nicht mal Sinn, mit dir zu reden, Pia. Verschieben wir es auf einen späteren Zeitpunkt. Und noch etwas … Nele spielt für mich überhaupt keine Rolle mehr.«
    »Sie bleibt meine Schwester, ob es mir nun passt oder nicht. Soll ich ihr Verhalten einfach so hinnehmen? Ich habe sie neulich getroffen«, sagte Pia. »Sie denkt, dass das alles meine Schuld ist, weil ich nicht in die Ausstellung meiner Bilder eingewilligt habe.«
    »Du hast sie angeschrien«, erwiderte er vorwurfsvoll.
    »Vielleicht war ich etwas lauter als nötig. Ich war wütend auf sie, und das wohl zu Recht.«
    »Kann schon sein. Trotzdem …« Er zögerte. »Sie hat Angst vor dir, Pia.«
    Und woher wusste er das schon wieder? Sie sah ihm nach, wie er aus ihrem Wagen stieg, die Tür zuwarf und dann, ohne sich noch einmal umzusehen, zu seinem eigenen Auto hinüberging.
    Zwei frische Gräber, direkt nebeneinander. Noch waren die Grabsteine nicht aufgestellt, doch Pia wusste, das mit dem voluminösen Hügel aus kaum verwelkten Kränzen und Blumengebinden darauf war das Grab von Katja Simon. Es lag direkt neben dem ihres Mannes. Sie war ihm schneller in den Tod gefolgt, als sie es wohl erwartet haben dürfte. Keiner der beiden dürfte das erwartet haben. Vor Katja Simons Grab stand, reglos und mit gesenktem Kopf, ein großer Mann. Er trug einen dunklen Tuchmantel über grauen Hosenbeinen und eleganten schwarzen Lederschuhen. Seiner Haltung nach war ihm kalt. Sven Waskamp war nicht für einen Friedhofsbesuch an einem Novembernachmittag an der Ostsee gekleidet. Er sah eher so aus, als wollte er nur schnell von seinem gut geheizten Büro in seinen in der Parkgarage abgestellten Wagen steigen.
    Pia stellte sich neben ihn.
    Er hob den Kopf und sah sie überrascht an. »Die Kommissarin. Was treibt Sie denn hierher? Jetzt, wo alles vorbei ist.«
    »Es ist noch lange nicht vorbei. Vorbei ist es erst, wenn Martin Gregorian wegen fünffachen Mordes und schwerer Körperverletzung verurteilt worden ist.«
    »Ja. Der Fall ist für Sie noch nicht erledigt, nicht wahr? Ich versuche allerdings, irgendwie damit klarzukommen. Das hier, mein Besuch auf dem Friedhof, ist auch nichts weiter als so ein Versuch.«
    »Meiner Beobachtung nach hat unsere Generation Probleme mit Friedhöfen. Vielleicht kommt das irgendwann, wenn wir älter werden …«
    »Vielleicht auch nicht. Ich habe verfügt, dass meine Asche in der Ostsee verstreut werden soll. Aber eigentlich ist es auch egal … Wie geht es meinem Onkel?«
    »Sie erkundigen sich nach Martin Gregorians Befinden?«
    »Er war eine wichtige Bezugsperson für mich, als ich ein Kind und Jugendlicher war. Eigentlich auch später noch. Bevor das alles passiert ist, hätte ich behauptet, wir standen uns nahe. Ich denke immer wieder daran, dass ich doch etwas hätte merken müssen. Irgendwas, das mich darauf vorbereitet, dass etwas mit ihm nicht stimmt.«
    Pia zuckte mit den Schultern und spürte den Druck der schweren Lammfelljacke. Sie trug das wärmste Kleidungsstück, das sie besaß, dazu dicke Stiefel und einen Wollschal, den sie sich mehrfach um den Hals geschlungen hatte. »Menschen können sich lange Zeit vollkommen normal verhalten, doch wenn sie aufs Äußerste gereizt oder provoziert werden, zeigt sich, dass sie außerhalb von Gesetz und Moral zu handeln bereit sind. Das trifft übrigens auf fast jeden von uns zu.«
    »Martin Gregorian – ein Opfer der Umstände?«, fragte Sven Waskamp ironisch.
    »Ein skrupelloser, egozentrischer Sadist, der durch eine Verkettung ungünstiger Umstände zum Mörder geworden ist. Wenn seine Affäre mit Tamara Kalinoff nicht durch ihre Schwangerschaft für ihn gefährlich geworden wäre, wenn seine soziale Stellung und der Wohlstand, den er sich erarbeitet hatte, nicht zur Disposition gestanden hätten, vielleicht wäre Gregorian gestorben, ohne je einem Menschen etwas zuleide getan zu haben …«
    »Ich verabscheue mich selbst, dass ich ihm so lange vertraut habe. Ich hatte eine so hohe Meinung von ihm. Was ist denn mit meinem Urteilsvermögen, wenn ich einem Mörder mein Vertrauen geschenkt habe?«
    »Sie wurden von ihm getäuscht. Das ist alles. Apropos, wie geht es Ihrer Tante, nach allem, was passiert ist?«
    »Gar nicht gut«, sagte er. »Eveline will mit niemandem darüber reden. Ehrlich gesagt, ist mir ihr Verhalten unheimlich. Sie tut so, als wäre das alles nicht passiert. Stattdessen stürzt sie
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