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Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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ihr wortlos an, zuzugreifen. Sie tat es fast trotzig. Während er sprach, nahm sie ein zweites, größeres Stück.
    Es war gut. Nicht so ein billiges süßes Zeug wie aus dem Supermarkt. Sie schmeckte die fein geriebenen Mandeln und den Hauch Rosenwasser.
    »Ich habe hier eine dringende Anfrage vom BKA , Ann. Sie wollen dich in die SOKO Maurer holen.«
    »Vergiss es!«, sagte sie bestimmt.
    Ubbo Heide konnte sich aus seiner Truppe keinen Mitarbeiter vorstellen, der nicht sofort freudig »ja!« geschrien hätte, ihn selbst vielleicht ausgenommen.
    Er suchte einen Zugang zu ihr und versuchte es über den Marzipan-Seehund.
    »Früher«, sagte er, »im Mittelalter, hatte nur die Apothekerzunft das Recht, Marzipan herzustellen.« Er brach sich noch ein Stückchen ab und roch daran, bevor er es auf der Zunge zergehen ließ.
    »Es wurde auch Herzzucker genannt.« Er griff sich an die Brust. »Möge es seine heilende Kraft entfalten.«
    Ann Kathrin nickte, und Ubbo Heide hoffte, sie emotional geöffnet zu haben. Er versuchte, sie umzustimmen:
    »Ann, dazu kann man nicht so einfach ›Nein‹ sagen.«
    »Warum nicht? Ich verlasse Ostfriesland nicht. Gerade jetzt nicht!«
    »Du hast drei Serienmördern das Handwerk gelegt, Ann. Niemand hat mehr Erfahrung damit als du. Sie brauchen dich!«
    Sie schüttelte sich, wie Hunde es tun, wenn sie nass geworden sind. »Ich habe meinen Fall hier in Ostfriesland.«
    »Das ist kein Fall, Ann Kathrin! Das ist ein Hirngespinst von einem kleinen Mädchen, das nicht wahrhaben will, dass ihr Papi ihre Mami betrogen hat.«
    Ubbo Heide schob Bilder vor Ann Kathrin auf den Schreibtisch. Zwei Opfer des Maurers. Unveröffentlichte Fotos in DIN -A 4 -Größe.
    »Er mauert seine Opfer ein und lässt sie jämmerlich verhungern. Er hat einmal in Luzern zugeschlagen und ein zweites Mal in Bamberg. Es ist nicht auszuschließen, dass noch andere Opfer gefunden werden. Beides waren Zufallsfunde. Es können andere vermisste junge Frauen seit Jahren irgendwo eingemauert sein. Wir müssen international zusammenarbeiten, um … «
    Ann Kathrin Klaasen warf nicht einmal einen Blick auf die Fotos.
    Ubbo Heide hob ein paar hoch und hielt sie so, dass Ann
Kathrin den Kopf abwenden musste, damit sie aus ihrem Gesichtsfeld verschwanden.
    »Sie haben versucht, mit ihren Fingernägeln Botschaften in die Steine zu ritzen. Vielleicht Hinweise auf den Maurer. Schau es dir wenigstens an.«
    »Ich habe Nein gesagt. Ich bin für Ostfriesland zuständig, das reicht mir.«
    »Ann, du kannst hier nicht deinen eigenen kleinen Privatkrieg führen, während dadraußen ein Killer Frauen entführt und … «
    Ann Kathrin schlug mit der offenen Handfläche auf den Tisch, so dass die Fotos und Papiere hochflatterten.
    »Ihr wollt mich hier loswerden, stimmt’s?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich habe denen gesagt, dass wir hier unterbesetzt sind und jeden Kollegen vor Ort brauchen, aber … sie sind ratlos, Ann. Sie stecken in einer Sackgasse, und jeder hat Angst vor dem nächsten Fund. Sie brauchen deine Erfahrung und … «
    »Nein!«
    »Ich sage es nicht gerne, aber das ist auch ein Karrieresprung. Andere besuchen jahrelang Lehrgänge und Fortbildungen und werden nie gefragt.«
    »Ja, siehst du, genau das ist es. Jetzt, da ich mit unbequemen Fragen und Ermittlungen komme, genau jetzt bietest du mir einen Job sehr weit weg von meiner Dienststelle an.«
    Ubbo Heide stöhnte: »Ann Kathrin, was willst du?«
    »Das habe ich schon zweimal gesagt. Eine Obduktion von Frau Klocke.«
     
    Rupert trank mit den Bamberger Kollegen in der Markthalle Aurich einen Kaffee und aß dabei ein Mettbrötchen. Huberkran lutschte schon die dritte Auster aus. Er war ein Franke, der Meeresfrüchte liebte und jeden Urlaub in Südfrankreich verbrachte.
Ein Teller voller zerschlagenem Eis, auf dem Muscheln, Krebse und Garnelen lagen, als ob sie darauf herumkriechen würden, war für ihn der Inbegriff von Entspannung und Hochgenuss.
    Er hatte sich gegen Hepatitis impfen lassen, weil seine Frau, eine praktische Ärztin aus Breitengüßbach, darauf bestanden hatte. Wenn es etwas zu lutschen oder zu schlürfen gab, vergaß er jeden Alltagsfrust. Leider wohnte er dafür am falschesten Ort der Welt. Hier an der Küste aber wollte er wenigstens in Ruhe seine Meeresfrüchte genießen. Aurich war zwar nicht Nizza und Ostfriesland nicht die Côte d'Azur, aber einen Hauch davon verspürte er hier schon, zumal bei dem Wetter heute, und die Preise verdarben ihm nicht
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