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Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Weller gebeten, die Personen für mich zu überprüfen. Er hat sie in unserem System nicht gefunden. Aber kurz darauf war Frau Klocke tot.«
    Ubbo Heide griff sich an den Magen. Er brauchte ein anderes Medikament. Kompensan war für solche Situationen nicht säurebindend genug.
    »Warum sollten sie in unserer Lichtbild-Datei sein? Das ist doch alles Unsinn. Denk doch mal nach!« Er tippte sich unwillkürlich gegen die Stirn. »Damit verdächtigst du allen Ernstes einen aus unserer Truppe. Wer sonst sollte Wind davon bekommen haben?«
    Ubbo Heide musste sich bewegen. Er ging zum Fenster und öffnete es vollständig. Der Wind blähte sein Hemd auf. Von einem Brathähnchenstand wehte Grillduft ins Büro. Er atmete tief ein. Dann drehte er sich wieder zu Ann Kathrin Klaasen um und ereiferte sich: »Glaubst du wirklich, irgendein Kollege bekommt Wind von Wellers Recherche, glaubt jetzt, dass du kurz davor bist herauszubekommen, dass dein Vater ein ganz normaler Mann mit einem ganz normalen Liebesleben war, und um die Ehre deines Vaters zu schützen, bringt der Kollege die letzte lebende Zeugin um, die sich in einem AWO -Wohnheim mit ihrer Rente noch ein paar schöne Jahre macht?«
    »Ich verlange eine Obduktion. Nicht hier, sondern an einem neutralen gerichtsmedizinischen Institut. Außerdem eine Liste aller Kollegen, die durch Weller von der Sache erfahren haben. Überhaupt, warum ist er nicht hier?«
    Ubbo Heide schloss das Fenster, als müsse er verhindern, dass jemand von draußen mithören konnte.
    Er sah blass aus, geschafft, urlaubsreif. »Das wird ja immer schöner! Glaubst du, dass eine Obduktion in Oldenburg getürkt wird? Alle halten zusammen, nur damit der Ruf deines Vaters
nicht post mortem beschmutzt wird? Ich hätte dir das gerne erspart, aber ich sage dir jetzt mal, was ich denke! Du hast diese gute alte Dame mit deinen Fragen und Verdächtigungen so sehr aufgeregt, dass sie einen weiteren Schlaganfall bekommen hat oder einen Herzinfarkt. Ich will das nicht vertiefen, aber wenn sie einer umgebracht hat, dann du mit deiner Hysterie. Immer wenn es um deinen Vater geht, drehst du vollständig durch und verlierst jede Professionalität. Darf ich dich daran erinnern, dass du bei einem Banküberfall in Leer auf den Rettungswagen geschossen hast, weil … «
    Er winkte ab, er sprach nicht weiter, er merkte, dass er sich in Rage redete, und das war gar nicht gut für seinen nervösen Magen.
    Sein Vorwurf saß trotzdem. Er nahm Ann Kathrin Klaasen die Luft. Sie schob die Schultern vor. Es war, als würden ihre Lungenflügel sich verkrampfen. Sie konnte plötzlich nicht mehr richtig ausatmen.
    So dachten sie also hier in der Polizeiinspektion heimlich über sie.
    In diesem Moment war Ann Kathrin entschlossen zu kündigen. Sie wollte hier nicht länger bleiben, am liebsten wäre sie heulend und schreiend nach draußen gelaufen. Sie wollte weder ihre Kollegen noch dieses Gebäude jemals wiedersehen.
    Ihre Lunge pfiff wie der Wind, wenn er durch nasse Fischernetze weht.
    Ubbo Heide befahl sich selbst, jetzt runterzukommen. Er musste diesem Gespräch nun die positive Wende geben, die er selbst brauchte, um sich beruhigt seinem Tagesgeschäft widmen zu können.
    Wehmütig dachte er an die Zeiten zurück, als er solche Situationen mit dem Satz auflockerte: »So, jetzt rauchen wir erst mal eine.«
    Mit der Gesundheitswelle und dem Nichtraucherkult und
all den daraus resultierenden Regeln und Gesetzen waren auch entsprechende Rituale verschwunden, und es gab noch nichts Neues.
    Er konnte ja schlecht vorschlagen: »So, jetzt schälen wir erst einmal gemeinsam eine Orange – oder trinken einen Blasen-und Nierentee.«
    In seiner Schreibtischschublade lag ein halber Marzipan-Seehund von ten Cate auf einem Holzbrettchen. Er konnte jetzt nicht anders. Er brach den Schwanz ab und schob ihn sich in den Mund. Er hatte das Gefühl, seinem wunden Magen würde es gleich bessergehen. Brauchte er statt Medikamente Marzipan?
    Er bemühte sich um Blickkontakt zu Ann Kathrin, aber sie wich ihm aus. Er war sich nicht sicher, ob seine Worte sie überhaupt erreichten.
    »Weller ist nicht hier, weil ich ihm gesagt habe, ich möchte alleine mit dir reden. Da ist nämlich noch etwas, Ann. Etwas ganz anderes.«
    Jetzt hatte er ihre Aufmerksamkeit zurück. Wie ein waidwundes Tier sah sie ihn an. Verletzt. Angriffslustig und schutzbedürftig zugleich.
    Plötzlich sah er in ihr seine Tochter. Er zog den versteckten Marzipan-Seehund hervor und bot
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