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Osterfeuer (German Edition)

Osterfeuer (German Edition)

Titel: Osterfeuer (German Edition)
Autoren: Ella Danz
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natürlich Elsbeth, der Unermüdlichen.
Auch pflegte man bedauerlicherweise nicht mehr die aufwendige Gastfreundschaft des
englischen Landadels im 19. Jahrhundert mit Einladungen zu ausgedehnten Lunches
oder geselligen Afternoon Teas mehrmals im Monat. Oliver war, als sie ihn kennen
lernte, bereits ein ziemlich selbständiger Fünfzehnjähriger, mit dem sie sich auf
Anhieb verstand, der aber keiner intensiven Betreuung, außer hin und wieder Nachhilfe
in den sprachlichen Schulfächern, bedurfte. Und ein Engagement im örtlichen Lion’s
Club, das ihr bald von
    den maßgeblichen Damen der Warstedter Society angetragen worden war oder
die Mitarbeit am Gemeindeblättchen, füllten ihre Tage bei weitem nicht aus.
    Da alles, was mit Kochen und Essen
zusammenhing, in den letzten Jahren ohnehin einen Schwerpunkt ihrer journalistischen
Arbeit bildete, hatte sie begonnen, sich genauer mit den historischen Vorbildern
ihrer Idealvorstellung vom Landleben zu beschäftigen. Als junges Mädchen schon faszinierten
sie die Bücher der drei Brontë-Schwestern und Jane Austens, in denen Tees, Dinners
und Picknicks eine wichtige Rolle spielten. Von jeher der gediegenen britischen
Lebensart zugetan, begann sie, über die im Allgemeinen von Feinschmeckern eher gemiedene
englische Küche zu forschen, und fand, was sie immer geahnt hatte: Nicht wenige
englische Männer und Frauen hatten sich durch ihren Reise- und Forschungsdrang große
Verdienste um die Entwicklung der europäischen Esskultur erworben. Letztendlich
bestimmten nur die Fähigkeiten eines Kochs und nicht die ethnische Zugehörigkeit
einer Speise ihren Wohlgeschmack.
    Natürlich dauerte es entmutigend
lange, bis endlich ein Lektor erkannte, welches Potential in ihrem unverlangt eingesandten
Manuskript steckte. Doch schließlich profitierte sie vom Revival der englischen
Damenliteratur in Buch und Film und der kleine Verlag, der wagemutig zugegriffen
hatte, verfügte über einen Bestseller. Nun gut, ob ihr die Aufhebung des Vorurteils
gegenüber englischer Kochkunst gelungen war, daran mochte man zweifeln. Gelungen
war ihr mit »Geschmack und Vorurteil« auf jeden Fall ein wunderschönes, bibliophiles
Stück Küchenliteratur, welches Eingang in die höchst weihevollen Spalten der Feuilletons
gefunden hatte, und, darauf war sie besonders stolz, das eine Fülle von authentischen
Rezepten des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts enthielt, so aufbereitet,
dass jeder interessierte Zeitgenosse seine Gäste damit zutiefst beeindrucken konnte.
Ehrensache, dass Trude auch ihre Freundinnen mit Fundstücken aus ihrem Buch bewirten
würde. Schließlich hatte sie einen Ruf zu verteidigen als geniale Köchin und Gastgeberin,
die ihre ganz eigene Küche pflegte und sich dem ausgelutschten Trend Prosecco/Rucola/Mozzarella
oder modischem Schnickschnack à la Pacific Food mutig entgegenstellte.
     
    Zufrieden klappte Trude den Laptop zu und begab sich zurück in die
Küche. Sie schlug die Sahne, die sie in Ermangelung von echter Clotted Cream, dieser
klumpigen englischen Skurrilität, als Ersatz zu den Scones beim Creamtea reichen
wollte. Auf dem rohen Holztisch in dem geräumigen, hellen Raum, der durch die vielen
vorhanglosen Sprossenfenster, die fast bis zum Boden reichten, wie ein Wintergarten
wirkte, stand handgetöpfertes blaues Teegeschirr für drei Personen bereit. Die ganze
Küche war von den Fliesen, über Fensterrahmen und Türen bis zu den schmückenden
Accessoires in Blau und Weiß gehalten und strahlte eine schlichte Behaglichkeit
aus. Der kundige Betrachter sah sofort, dass hier jemand geplant hatte, der Wert
auf Funktionalität legte, ohne dabei den ursprünglichen Charakter des Bauernhauses
zu zerstören oder aber ins süßlich, kitschige Landhausambiente abrutschen zu wollen.
Die Einbauküche aus weiß lasiertem Kiefernholz bot großzügige Arbeitsflächen, durch
Punktstrahler bestens ausgeleuchtet, und optisch perfekt integrierte modernste Küchentechnik.
Der große Esstisch, an dem mindestens zwölf Personen Platz finden konnten, erzählte
mit seiner leicht fleckigen Patina von so manchem köstlichen Mahl, genossen in gemütlicher
Runde.
    Plötzlich erstrahlte die Küche in
blendender Helligkeit. Der allgegenwärtige Ostseewind hatte die Wolken vertrieben
und wenigstens für ein paar Minuten herrschte eitel Sonnenschein. Trude schlüpfte
in ihre Gummistiefel – ein unverzichtbares Utensil des Landlebens in Ostholstein
– nahm sich die Gartenschere, die neben der
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