Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Osterfeuer (German Edition)

Osterfeuer (German Edition)

Titel: Osterfeuer (German Edition)
Autoren: Ella Danz
Vom Netzwerk:
abgestimmt und je älter sie wurden, desto perfekter traten
sie auf. Trotzdem hätte sich Trude dadurch nicht bemüßigt gefühlt, aufzurüsten.
Doch Margots Erscheinen bewirkte, dass sie sich von einer Minute zur andern ungelenk,
farb- und glanzlos – schlicht und einfach absolut unattraktiv vorkam. Warum musste
an ihr selbst auch alles so durchschnittlich sein? Mit ihren Einszweiundsiebzig
war sie normal groß. Weder Busen noch Po waren auffallend geformt, nur ihre Hüften
fand sie um einiges zu breit. Und es trennten sie zu ihrem Leidwesen seit letztem
Winter noch fünf Kilogramm vom Normalgewicht und wenn sie jetzt nicht die Kurve
kriegte, ihrem unkontrollierten mal Lust- mal Frustfressen Einhalt zu gebieten,
würde sie sich bald eine neue Kleidergröße kaufen müssen.
    Seufzend betrachtete sie ihr Spiegelbild.
Das glatte, braune Haar war mittellang und auch Nase, Mund oder Ohren konnten nicht
als besondere Kennzeichen dienen. Das einzige was Trude an sich selbst gefiel, waren
ihre grünen Augen. Wenn sie sie beschreiben sollte, konnte sie richtig ins Schwärmen
kommen: Je nach Lichteinfall warmes Flaschengrün mit goldenen Lichtreflexen oder
aber die Farbe weichen, dunklen Mooses … Seit Franz endlich einmal ihre Augenfarbe
aufgefallen war, nannte er sie zärtlich mein Heringsauge … Für Franz also hätte
sie sich nicht in Schale werfen brauchen. Für ihn sah sie immer gut aus. Sagte er
jedenfalls. Sie hätte zu gerne gewusst, welches Bild er eigentlich von ihr hatte.
Wie er sie sah, was er überhaupt sah und was er schließlich an ihr mochte. Doch
das würde sie mit Sicherheit nie von ihm hören, solche Schnackerei, wie er das nannte,
lag ihm völlig fern. Und danach fragen würde sie natürlich auch nicht.
    Wie wohltuend hatte Trude sein wortkarges
Verstehen, seine Klarheit, diese Selbstverständlichkeit in Worten wie Taten empfunden,
als sie ihn vor gut sechs Jahren kennen lernte. Sie befand sich damals an ihrem
absoluten Tiefpunkt. Gerhard, der Mann mit dem sie sieben Jahre verheiratet und
von dem sie im dritten Monat schwanger war, erlag an einem strahlenden Sommernachmittag,
sozusagen aus heiterem Himmel, einem Herzinfarkt. Er hinterließ ihr, neben einigen
unerwarteten, finanziellen Verpflichtungen, vor allem die schockierende Erkenntnis,
jahrelang neben einem Fremden gelebt zu haben. Sie wurde fast irre an der Tatsache,
dass man einen Toten nichts mehr fragen, ihn nicht mehr zur Rechenschaft ziehen
kann. Und als ihre Seele die Qualen nicht mehr ertragen konnte, wehrte sich auch
ihr Körper. Sie verlor das Baby und wurde schwer krank.
    Als Trude sich nach Monaten wieder
erholt hatte, wurde die Arbeit ihr Fixpunkt, daran hielt sie sich aufrecht. In erster
Linie brauchte sie das Geld und dann natürlich die Ablenkung von ihren Gedanken,
die ständig um die gleichen Fragen von Fehlern, Versäumnissen, Selbstvorwürfen kreisten.
Sie nahm jeden Reportage-Auftrag an und lernte Franz als Interviewpartner zum Thema
Galloway-Zuchtbullen kennen. Er konnte ihr nur die ausgesprochene Schmackhaftigkeit
dieses Rindfleisches bestätigen aber ansonsten keine einzige Frage beantworten,
bis sie ihm Gelegenheit gab, klarzustellen, dass er nur seinen Freund und Nachbarn
zu dieser Landwirtschaftsschau begleitet hatte und der sich gerade ein Brötchen
holte. Nachdem sie den Nachbarn dann interviewt hatte, ging Trude mit Franz einen
Kaffee trinken und sie hörte gar nicht mehr auf zu reden, erzählte ihm, wie schlecht
es ihr ging und dass sie nur noch weg wollte aus Berlin. Es war nicht ihre Art,
vor völlig Fremden ihre persönliche Lage auszubreiten, doch Franz erschien ihr wie
ein alter Freund. Er erzählte nicht ganz so viel, aber klärte sie zumindest genau
über seine Lebensumstände auf und nach dieser halben Stunde wusste sie, dass er
ein Witwer mit Sohn und Schwiegermutter war, eine Firma hatte, die sterile Einwegartikel
für Krankenhäuser weltweit produzierte, auf dem Bauernhof lebte, auf dem er geboren
war, und nie aus seiner Heimat wegziehen würde. Und er lud sie ein, ihn auf seinem
Hof zu besuchen. Und Trude, die geglaubt hatte, nie wieder einem Menschen ihr Vertrauen
schenken zu können, war zwei Wochen später da und ein knappes Jahr später waren
sie verheiratet: Da nahm der Prinz sie auf sein Pferd, führte sie auf sein Schloss
und es wurde eine große Hochzeit gefeiert. Sie waren alle Tage froh und glücklich
und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Es schien ihr immer
noch wie ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher