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Osama (German Edition)

Osama (German Edition)

Titel: Osama (German Edition)
Autoren: Lavie Tidhar
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Mischung aus Bleistift und roter Tinte versehen war, Wörter durchgestrichen und andere eingefügt, Zeichensetzung überprüft und für mangelhaft befunden, Tippfehler mit geduldigen, sorgfältigen Schleifen und Ringen umkreist.
    Er legte es hin und störte dabei ein unsichtbares Gleichgewicht, eine empfindliche Balance, die plötzlich durcheinandergebracht worden war. Es gab eine Kaskade aus Papieren, Kieselsteinen, Stiften, Muscheln und Münzen, und der plötzliche unerwartete Lärm machte Joes Handflächen schweißfeucht, ließ sein Herz schneller schlagen. Er machte einen Schritt zurück, versuchte, seine Atmung zu beruhigen. Trümmer blieben auf dem Boden liegen. Stille kehrte wieder ein. Die Luft stand, die kleine Brise, die zuvor spürbar gewesen war, hatte sich bereits gelegt. Die Luft war erfüllt von Nachmittagshitze, Nachmittagsträumen.
    Joe begutachtete den Fallout. Auf dem Schreibtisch hatte eine seismische Veränderung stattgefunden, ein Zusammenstoß tektonischer Platten, der an der Oberfläche ein neues Muster geschaffen hatte. Unter dem, was ein Miniaturbücherberg gewesen war, kam ein Stapel Papier zum Vorschein.
    Die Blätter lagen ordentlich aufeinander. Weiße Seiten, die Kanten bündig ausgerichtet, die maschinengeschriebenen Zeilen von links nach rechts in einzeiligem Abstand. Auf der ersten Seite, mittig, von unbedrucktem Raum umgeben, ein Titel: Das letzte Gefecht. Darunter ein bekannter Untertitel: Osama bin Laden: Vergelter.
    Noch weiter unten: Von Mike Longshott .
    Neben dem Manuskript lag ein aufgeschlagenes Buch mit der Schriftseite nach unten. Der Titel war ihm vertraut, aber Joe brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass er dieses Buch vor kurzem auf dem Markt in der Stadt in die Hand genommen hatte.
    Ein Reiseführer zu den Tora-Bora-Höhlen . Er nahm ihn, blätterte ihn durch. Bilder von Bergen, Kiefern, Höhlenöffnungen im Grundgestein. Der Ort sah ruhig und friedlich aus, auf den Bildern wirkte er irgendwie ungenutzt.
    Joe ließ seinen Blick zu der Schreibmaschine wandern. Ein neues Blatt Papier war eingezogen worden. Es war teilweise betippt. Joe griff danach, zog es behutsam heraus, wobei seine Finger feuchte Abdrücke auf dem Papier hinterließen.

Schwarzer Staub
    ... in den weißen Bergen. In Paschtu bedeutete sein Name Der schwarze Keller Schwarzer Staub. Ein weit verzweigtes Netz aus natürlichen Höhlen, das in den achtziger Jahren mit Unterstützung der American Central Intelligence Agency Agency der CIA stark erweitert wurde. Zwanzig Jahre später sollte es der unterirdische Schauplatz für die Schlacht von Tora-Bora zwischen Osama bin Ladens Männern und Koalitionstruppen aus den Vereinigten Staaten und Großbritannien werden.
    Kabul war gefallen. Als die Panzer in die Stadt rollten, hatten Osama bin Ladens Kämpfer sie bereits verlassen. Sie gingen in die Berge, wo sie sich schließlich in den Höhlen der Safed-Koh Weissen Berge, fünfzig Kilometer vom Chaiber-Pass entfernt, sammelten.
    Es hätte das letzte Gefecht von Osama bin Laden werden sollen. Am Ende war es nichts anderes als eine weitere Schlacht in einem ausgedehnten lang anhaltenden Krieg.
    Langstreckenbomber B-52H Stratofortress der US-Luftwaffe kamen, frisch aus der Schlacht um Kabul, zum Einsatz. Über den Bergen warfen sie ein ununterbrochenes Sperrfeuer aus Bomben Sprengkörpern ab, darunter vor allem die 227 kg schweren Mark-82- und die 6,803 kg schweren BLU-82-Bomben, auch Daisy Cutter genannt. US-Spezialkräfte wurden mit Helikoptern in die Kampfzone gebracht, und britische SASKommandos versuchten, in die Höhlen einzudringen, was erbitterte Feuergefechte auf kurze Distanz zur Folge hatte. Draußen füllten sich Bomben Krater mit Geröll, und entwurzelte Bäume lagen auf der Seite.
    Als die Kampfhandlungen zu Ende gingen und die Höhlen gründlich ausgeräumt worden waren, war keine Spur von Osama bin Laden noch von der großen Masse seiner Kämpfer zu finden. Der Emir hatte sich über die verschneiten Bergpfade verzogen, um den Kampf neu zu organisieren und fortzu...

Longshott
    Joe zuckte zusammen. Das Geräusch kam in die Stille hinein, laut, unerwartet. Er hatte das Blatt, das ansonsten leer war, eine ganze Weile angestarrt. Jemand hatte mitten im Satz aufgehört. Joe blickte sich aufgeregt um, konnte aber die Quelle des Geräuschs, ohne Frage ein Husten, nicht ausmachen. Mit fast unerträglichem Herzklopfen legte er das Blatt auf den Schreibtisch zurück. Aus der Richtung des Raums, in dem er
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