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Orient-Express (German Edition)

Orient-Express (German Edition)

Titel: Orient-Express (German Edition)
Autoren: John Dos Passos
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Tischen. Monsieur Deinos, der eine Schiffsverbindung von Konstantinopel nach New York einrichten will, saß im lavendelgrauen Leinenanzug zwischen den beiden hochgewachsenen Damen mit unruhigen Augen und affektiert gespitztem Mündchen ... «Griechenland», hob er an, «wird seinen historischen Auftrag erfüllen ...»
    Ich schlenderte zur Bar. Ein britischer Major mit Vollmondgesicht mixte Alexanders. Ein Mann im Gehrock versuchte, mit dem Mund Oliven aufzufangen, die ein Mitarbeiter einer amerikanischen Hilfsorganisation in die Luft warf. Alle sprachen Englisch, näselndes Oxford-Englisch, Chicagoerisch, Ostküstenamerikanisch, Englisch und Amerikanisch, wie es von Griechen, Armeniern, Franzosen, Italienern gesprochen wird. Nur die nüchterneren Leute in der Ecke sprachen Französisch.
    «Der Geheimdienst hat schon wieder eine bolschewistische Verschwörung aufgedeckt ... jawoll. Haben alle Roten eingesammelt und sie in einem morschen Kahn auf dem Schwarzen Meer ausgesetzt.» – «Haben nichts Besseres verdient. Undankbares Pack, diese Russen ... Erst evakuieren wir sie aus Odessa und Sebastopol, und dann wollen sie hier Revolution machen. Anführer war eine Frau ... Haben sie in einem Zimmer im Tokatlian erwischt. Als die A.P.C. an der Tür klopfte, hat sie sich ausgezogen und ins Bett gelegt. Dachte, es sind Gentlemen, die nicht mit Gewalt einbrechen. Nun ja, sie haben ihr einfach eine Decke übergeworfen und sie mitgenommen, wie sie war.»
    «Also, ich war der letzte weiße Mann, der aus Sebastopol rausgekommen ist ... Bin in der Landmaschinenbranche.»
    «Gestern Nacht haben türkische Banditen sechs Griechen aus dem Dorf dort drüben entführt ...»
    «Habt ihr von dem jungen Stafford gehört, der mit einer Rotkreuzschwester auf der Straße am See spazieren ging und von Banditen angehalten wurde? Das Mädchen haben sie nicht angerührt, aber ihn haben sie bis auf die Haut ausgezogen ... Auf Bitten des Mädchens haben sie ihm anstandshalber die Unterhose zurückgegeben.»
    «Und der General sagte: ‹Es ist nicht hell genug, in jedem Fenster soll ein Leuchter stehen.› Alle haben darauf hingewiesen, dass die Spitzenvorhänge Feuer fangen können, aber der General hatte schon reichlich Schampus getrunken und rief dauernd nach seinen Leuchtern. Also haben sie ihm seine Leuchter gebracht, und die Vorhänge haben tatsächlich Feuer gefangen, und nun hat der Sultan einen Palast weniger ... War ein grandioser Anblick.»
    «Was ich euch jetzt erzähle, ist äußerst vertraulich. Der Mann, um den es geht, sein Name beginnt mit einem Z ... Ihr kennt doch den Vickers-Mann ... Fragt mich irgendwann nach Vickers und den Straßen in Izmit. Offenbar ist er gar kein Jude, sondern Grieche aus Konstantinopel. In Pera kannte ihn jeder, hatte ein kleines Tuchgeschäft oder so. Eines Tages verschwand er mit dem Inhalt eines Tresors und taucht zwei Jahre später in Lyon als steinreicher Seidenhändler und Wohltäter der französischen Republik auf und solche Sachen.»
    «Nein, der Bursche war Oberst in der Wrangel-Armee. Sie hatten nichts zu essen, und eines Tages stellte er fest, dass seine Frau und Tochter sich für Geld, na, ihr wisst schon, hat beide erschossen und die Fliege gemacht. Gestern Abend entdeckte irgendein kleiner Köhler seine Leiche in den Hügeln ...»
    «Jawoll, ich war der letzte Weiße, der aus Sebastopol rauskam. Merkwürdige Dinge sieht man im Schwarzen Meer ... Bin in der Landmaschinenbranche. Als ich das letzte Mal in Batum war, habe ich mehr als sechshundert Frauen schwimmen sehen, nicht ein Fitzelchen Stoff am Leib, alle im Evaskostüm.»
    «Na, Herr Major, noch einen Alexander? Das Zeug ist mild und tut wirklich gut.»
    «Kemal 9 ! Der ist erledigt ... Von wegen. Man erzählt sich ja die dollsten Dinge von ihm. Wie die türkische Armee bei Eskischehir in der Erde versank und hinter den griechischen Linien wieder zum Vorschein kam. Das ist das Zeug, mit dem man hier im Orient ein Held wird.»
    «Angeblich rücken drei Divisionen der Roten durch Armenien vor, und er soll ihnen für ihre Hilfe Konstantinopel versprochen hat.»
    «Sollen sie’s doch versuchen.»
    «Irgendwann werden sie die Stadt schon kriegen.»
    «Unsinn, die Griechen werden sie erobern.» – «Die Briten.» – «Die Franzosen.» – «Die Bulgaren ...» – «Der Völkerbund.» – «Die Türken.» – «Mein Vorschlag ist, die Stadt wird neutralisiert und der Schweiz übergeben. Das ist die einzige Lösung.»
    Draußen auf der
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