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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben
Autoren: Emma Flint
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im Park spazieren. Und dann wollen sie mir als Ausgleich dafür was schenken. Da ist überhaupt nichts dabei.«
    »Lore Fresen hast du erzählt, dass du bald heiraten würdest, aber leider kein Geld für die Hochzeit hättest.«
    Er reckte trotzig sein Kinn vor. »Na und? Stimmt das vielleicht nicht?«
    »Nein«, sagte ich und schüttelte fassungslos den Kopf.
    »Mensch, Möhrchen. Natürlich dreht man ein bisschen an der Wahrheit, um den Geldbeutel zu lockern. Aber der Punkt ist: Sie geben es mir absolut freiwillig .« Er machte eine Pause.
    Er schien sein Verhalten tatsächlich für total normal zu halten.
    »Du willst wissen, was ich in den vergangenen zwei Wochen gemacht habe?«, fragte er. »Ich habe für unsere Zukunft gesorgt.« Er packte mich an den Schultern und sagte eindringlich: »Einen Haufen Geld habe ich uns beschafft!«
    Ich wich entsetzt zurück. »Was hast du denn dafür tun müssen?«
    »Ich habe eine alte Dame namens Gundula Siebert zur Beerdigung ihrer Schwester nach Brighton begleitet und ihr danach bei der Abwicklung der Erbschaft geholfen. Und da sind für uns zwanzigtausend Euro rausgesprungen! Ist das nicht fantastisch? Zwanzigtausend Euro für zwei Wochen Gelaber einer alten Tante, die niemanden mehr hat außer ihrer Katze, die aber nun mal nie antwortet, wenn sie etwas gefragt wird.«
    Ich schnaubte verächtlich. »Ich fasse es nicht! Und warum hast du mir nicht gesagt, was du in England wirklich vorhast? Warum hast du mich angelogen?«
    »Ich wollte den Fisch erst angeln, bevor ich ihn dir serviere«, sagte er stolz. »Du solltest sehen, dass ich auch besondere Talente habe und viel Geld ranschaffen kann.«
    »Aber wir haben doch genug Geld«, rief ich kopfschüttelnd.
    Sein Gesicht bekam einen harten Zug. »Du vielleicht«, sagte er verächtlich. »Aber ich? Selbst wenn ich Filialleiter werde, werde ich niemals reich. Auch wenn ich mein Leben lang schufte. Du dagegen …«
    »Was?« Mir blieb einen Moment die Spucke weg, bis ich kapiert hatte, was er da sagte. »Ach, darum geht es also doch? Dass ich erfolgreicher bin als du?«
    »Du bist doch nicht erfolgreicher als ich«, protestierte er. »Auch wenn du noch so angibst mit deinem tollen Job und deinen ganzen Designerfummeln.«
    »Du solltest dich mal reden hören«, sagte ich erschüttert. »Was ist nur mit dir los?«
    »Jetzt tu nicht so!«, rief er empört. »Als ob die Börse der Versammlungsort für Tugend und Moral wäre. Ihr mauschelt und betrügt doch richtig. Da werden ganze Staaten über den Tisch gezogen. Dagegen bin ich ein Waisenknabe!«
    »Aber du nutzt alte Menschen aus, die einsam und verzweifelt sind«, schrie ich.
    »Ach, Blödsinn. Da hat doch jeder was davon. Die Alten fühlen sich wohl und beachtet, und wir können uns mit deren Geld das Leben finanzieren, das wir führen wollen!«
    »Ich will kein Leben, das ich mir mit anderer Leute Geld finanziere!«, brüllte ich.
    »Ach nein?«, sagte er kalt. »Und warum machst du dann diesen Job, den du da hast?«
    »Das ist doch was ganz anderes. Denn sobald die alten Damen dir das Geld gegeben haben, lässt du sie sitzen und gehst zur nächsten. So wie bei Lore Fresen, die noch jede Woche darauf wartet, dass du vorbeikommst. Sie ist ein Häuflein Elend, wegen dir.«
    Noch nicht mal das beeindruckte ihn.
    »Hätte sie mir eben mehr Geld geben müssen«, sagte Jens knapp. »Und wenn es ihr nicht passt, kann sie mich ja anzeigen.«
    Ich konnte nicht mehr. Seine ganze Art widerte mich an. Alles an ihm widerte mich an. Er war wirklich nicht der Mann, für den ich ihn gehalten hatte. Aber Gott sei Dank hatte ich es noch früh genug bemerkt.
    Ich zog den Verlobungsring von meinem Finger. »Hier«, sagte ich und drückte ihm den Ring in die Hand.
    Er starrte verwirrt darauf. »Du willst doch wohl nicht Schluss machen, weil ich mit meinem Einkommen wieder gleichgezogen habe?«
    »Nein, Jens.« Ich dachte einen Moment nach, und dann sagte ich, jetzt plötzlich wieder ganz ruhig: »Ich mache Schluss, weil du mich belogen hast, und …«
    »Aber ich habe dir den Diebstahl und die Lügen mit Uschi Reinhardt auch verziehen«, argumentierte er. »Wir sind quitt.«
    »Blödsinn! Wir werden niemals quitt werden. Aber damit eines ganz klar ist: Auch ohne das Lügen und das Betrügen von alten Damen hätte ich dich nicht geheiratet.«
    »Was?«, fragte er verständnislos.
    »Ja. Weil du mich einengst. Weil es mit dir keinen Spaß macht. Weil du ein Korinthenkacker bist und nur eine Putzfrau
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