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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben
Autoren: Emma Flint
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den Garten gelassen und ihnen die Bonsais auf der Terrasse gezeigt. Ich weiß, ich habe Ihr Vertrauen missbraucht, und es tut mir sehr leid.«
    Ich erwartete, dass er ausflippte, herumschrie, mich zur Schnecke machte, mich feuerte. Aber Zacharias Höveler kratzte sich nur am Kopf. »Dieser Umweltschützer und Perverse ist Ihr Vater?«
    Ich nickte. »Schuldig im Sinne der Anklage.«
    »Na, dann«, sagte er nachdenklich, »sollten wir dafür sorgen, dass das von unseren Mandanten niemand erfährt.«
    »Ich bin nicht gefeuert?«, fragte ich verblüfft.
    »Nein. Ich lasse jetzt mal fünfe gerade sein. Als Dank für die gute Pflege meiner Babys.«
    Als ich zu meinen Eltern kam, erwarteten sie mich schon gespannt.
    »Also, was ist los?«, fragte ich meine Mutter. »Du hast dich mit Marianne vertragen?«
    Meine Mutter nickte. »Es gibt da etwas, das ich nicht wusste.« Und dann erzählte sie mir, was Tante Marianne ihr anvertraut hatte: Ihr Vater, Naziopa Johann, hatte selbst die Hand in die Kreissäge gesteckt, um aus der SA zu kommen.
    »Aber er war doch so ein begeisterter Nazi!«, sagte ich verwirrt.
    »Als Jugendlicher in der Hitlerjugend«, sagte meine Mutter. »Später dann nicht mehr. Das hat Tante Marianne erzählt.«
    »Aber warum hat sie dir das nicht früher gesagt?«, fragte ich.
    »Na ja«, sagte meine Mutter verlegen. »Ich war wohl damals ein bisschen arrogant in Mariannes Augen. Aber sie war ja auch so angepasst, tsess! Na ja, jedenfalls meinte sie, mit mir hätte man nicht reden können, weil ich mich für was Besseres gehalten hätte.«
    »Und Omas Verehrerbrief an Hitler?«
    »Den hat sie nur geschrieben, damit ihr Verlobter nicht als Drückeberger dastand. Natürlich hat sie das total bereut.«
    »Und jetzt?«, fragte ich.
    »Na ja, jetzt muss ich mir wohl endlich mal was Neues einfallen lassen, um meine Mutter zu beleidigen.« Sie lachte schallend.
    Das Telefon klingelte, und meine Mutter ging nach nebenan. Ich erzählte meinem Vater ganz kurz, dass mit dem Sessel alles geklappt hatte und der Bonsai erstaunlicherweise nicht eingegangen war. Dass er sogar neu ausgeschlagen hat, verschwieg ich. Er wäre imstande, das als Aufforderung zu nehmen, zukünftig alle Pflanzen so zu düngen.
    »So ein Schwein!«, rief meine Mutter, als sie wieder reinkam.
    »Wer?«, dröhnte mein Vater.
    »Dirk!«
    »Dirk?«, fragte ich.
    »Der Vorsitzende des Kölner Naturschutzvereins, der die Proteste gegen die Flughafenerweiterung und die Bebauung der Streuobstwiese organisiert hat.«
    »Ach ja. Der dünne Mann mit der runden Brille.«
    »Genau der!«
    »Stell dir vor, er hat sich schmieren lassen.«
    »Was?«, schrie mein Vater.
    »Er hat das Geld von deinem Kollegen angenommen!«
    »Nein«, rief ich.
    »Dieses Arschloch«, schrie mein Vater.
    »Er hat gesagt, er mache das jetzt seit zwanzig Jahren ehrenamtlich. Und nie hätte es was gebracht. Es würde sowieso gebaut werden, ob mit Protesten oder ohne. Das Ganze sei sinnlos. Aber jetzt hätte sich sein Engagement endlich einmal ausgezahlt, und er würde die Anerkennung bekommen, die er verdiene.«
    »So ein Riesenarschloch«, wiederholte mein Vater.
    »Und was wollt ihr jetzt machen?«, fragte ich.
    »Wir geben das an die Presse«, rief mein Vater. »Wir ziehen die Sau in den Dreck!«
    Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Er würde alles abstreiten, und damit würden wir den Naturschutzinitiativen im ganzen Land schaden, sagt er.«
    »Und jetzt?«, fragte ich.
    Meine Mutter zuckte frustriert mit den Schultern. »Na ja, wir müssen mal sehen. Alleine so einen Protest aufzuziehen ist ja wirklich schwierig.«
    »Mmmhhh«, machte ich. »Mir kommt da gerade eine Idee.«
    »Was für eine Idee?«, schrie mein Vater. »Los, sag es uns.«
    »Also gut«, meinte ich. »Aber ich kann nicht versprechen, dass es klappt.«
    Ich erklärte ihnen meinen Plan und weihte sie auch in meine Idee mit der Hochzeitsorganisation ein. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten ließen sie sich auf etwas ein, was ich vorschlug.
    Dann fuhr ich nach Hause. Es war merkwürdig, in meine Wohnung zurückzukommen. Es schien mir so, als wäre ich seit Monaten nicht hier gewesen. Und es sah auch so aus. Auf der Kommode war eine Staubschicht, und es roch merkwürdig. Ich stellte fest, dass ich ganz vergessen hatte, den Mülleimer in der Küche zu leeren. Ich knotete die Tüte zu und riss das Fenster auf. Um alles Weitere würde ich mich gleich kümmern. Nach der langen Fahrt im unklimatisierten Auto
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