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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben
Autoren: Emma Flint
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keine Ahnung, was ich dann machen würde. Und das Beste war, dass es mir in dem Moment auch völlig egal war. Das aber musste ich Marianne natürlich nicht auf die Nase binden.
    Trotzig streckte Marianne ihr Kinn vor. »Und damit eines klar ist: Nach allem, was ich auf mich genommen habe, rufe ich niemanden an, um alles abzusagen. Und keinen Cent bezahle ich für die Arbeit, die jetzt schon berechnet wurde.«
    In diesem Moment kam mir eine Idee. »Genau, sag nichts ab, Tante Marianne. Gib mir bitte einfach die Unterlagen. Ich kümmere mich um alles.«
    Dann lösten wir das Auto aus. Mein Vater bezahlte die Abschleppgebühren und unterschrieb ein Formular. Danach waren wir befugt, zu fahren, wohin wir wollten. Die Idee meiner Eltern, uns zum Schlafen alle in den Bus zu quetschen, lehnten Marianne und ich ab. Zum Glück hatte die nette Polizistin einen Freund, der Ferienhäuser vermietete, und wir übernachteten in einem Zweizimmerappartement. Nach einer ausgiebigen Dusche fiel ich todmüde ins Bett und schlief wie ein Stein. Ich hörte auch nicht das Schnarchen meines Vaters, das durch die ganze Wohnung geschallt haben musste, wie meine Tante am nächsten Morgen nicht aufhörte zu bemängeln.
    Um sieben Uhr früh fuhren wir hintereinander auf den Autoreisezug. Meine Eltern und Tante Marianne in Mariannes Mazda, ich im Bus. Meine Mutter, die ja keinen Führerschein besaß, hatte jovial angeboten, mir im Bus Gesellschaft zu leisten, aber das hatte ich dankend abgelehnt. Man musste die verdächtig gute Stimmung zwischen uns nicht direkt wieder durch übergroße Nähe gefährden. Außerdem war mir Banjos Gesellschaft genug.
    Während meine Verwandten Richtung Köln fuhren, bog ich in Itzehoe ab und holte bei Gool Hofmann Designs den blitzweißen Sessel ab, der in eine Plastikfolie gehüllt war.
    Gool half mir, ihn ins Auto zu hieven, und unterließ zum Glück jegliche Aufforderungen zum Lichtfrühstück. Um elf startete ich mit der wertvollen Fracht auf die Fünfhundert-Kilometer-Strecke nach Köln. Mein Chef würde gegen sechs Uhr abends zu Hause eintreffen. Ich würde es schaffen, wenn nichts schiefging.
    Hamburg passierte ich ohne Störung. Ich hörte Radio und sang bei Liedern, die mir gefielen, laut mit. Banjo störte es nicht. Bis Münster war ich schon gekommen, da passierte es: Bremslichter leuchteten auf, Warnblinkanlagen gingen an, Stau. Ein Unfall, wie der Nachrichtensprecher des WDR mitteilte. Eine halbe Stunde lief gar nichts mehr.
    Ich wurde hibbelig. Wie sollte ich meinem Chef erklären, dass ich seinen Sessel spazieren fuhr? Ich spielte alle möglichen Gesprächseröffnungen durch, aber immer wenn ich sie Banjo vorsprach, wurde mir klar, dass sie meinen Chef keinesfalls vom Durchdrehen abhalten würden. Er würde mir den Kopf abreißen und mich feuern! Und diesen Sieg würde ich meinen Eltern nicht auch noch gönnen.
    Ein Hupen riss mich aus den Gedanken. Es ging weiter! Um fünf Uhr bog ich bei meinen Eltern in die Straße ein, sprang aus dem Auto, ließ den Motor laufen. Mein Vater stand tatsächlich wie verabredet bereit, um mir zu helfen. Und er hatte auch die Blumen besorgt, um die ich ihn gebeten hatte.
    »Ich muss dir unbedingt was erzählen«, schrie er, als er ins Auto hüpfte.
    »Später, Papa, jetzt müssen wir uns beeilen.«
    »Trautchen und Marianne haben sich vertragen!«, verkündete er.
    »Was?«
    »Ja, als sie auf dem Rückweg wieder mit dem Gezanke anfingen, habe ich gesagt, ich würde keinen Meter weiterfahren, wenn sie sich jetzt nicht mal vertragen. Dann haben sie sich trotzdem noch eine Menge Schimpfereien an den Kopf geworfen, und Trautchen hat mit dem Nazikram angefangen, und dann hat deine Tante erzählt …«
    »Papa, ich will alle Einzelheiten wissen, aber nicht jetzt. Zuerst bringen wir den Sessel zurück, und zwar ohne dass irgendwas kaputtgeht, verstanden?«, sagte ich scharf und legte den Rückwärtsgang ein, um in die Einfahrt meines Chefs hinaufzufahren.
    »Aye, aye, Käpt’n!«, dröhnte mein Vater.
    »Und du fasst da drinnen nichts an«, sagte ich, als ich die Heckklappe öffnete.
    »Ich fasse nichts an«, bestätigte mein Vater mit süffisantem Lächeln.
    »Und du machst nirgendwo hin.«
    »Keine Sorge. Ich werde sämtliche natürlichen Bedürfnisse unterdrücken.«
    »Sind deine Schuhe sauber?«, fragte ich und schaute auf seine ausgelatschten Lederslipper.
    »Geputzt und poliert. Na ja, nicht ganz. Aber mach dir keine Sorgen. Ich weiß doch, wie man sich
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