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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben
Autoren: Emma Flint
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anschaue, denke ich, dass du auch gar keinen Grund dazu hast«, sagte Anja und zwinkerte mir zu.
    Das fand ich in der Tat auch. Lennart war so süß!
    Als er vor meiner Wohnungstür aufgetaucht war, hatte mein Herz einen Hüpfer gemacht.
    »Was machst du denn hier?«, stammelte ich.
    »Ich bin gekommen, um dir alles zu erklären«, antwortete er.
    Ich ließ ihn herein, und da stand er – Kapuzenpulli, ausgeblichene Jeans. Sein Haar schien noch heller zu sein von der Zeit am Meer.
    »Ich bin der Sohn von Ingrid und Ulrich Gehrke«, fing er an. »Das habe ich dir nicht erzählt, weil ich es niemandem erzähle und mit diesen beiden Menschen nicht in Verbindung gebracht werden möchte. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, erkläre ich es dir auch noch genauer.«
    Er machte eine Pause und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, und ich musste mich zusammenreißen, ihm nicht um den Hals zu fallen.
    »Wichtiger ist jetzt erst mal, dass du weißt, dass ich weiß, dass du mit dem Erpressungsversuch deiner Freundin nichts zu tun hattest«, sagte er.
    »Aber woher?«, fragte ich verblüfft.
    »Von Saskia.«
    »Saskia? Aber …«
    »Ja, dass sie noch mal bei mir aufgetaucht ist, hat mich nicht gewundert. Aber dass sie sich entschuldigt hat, das hat mich wirklich erstaunt.«
    »Sie hat sich entschuldigt? Aber warum das denn? Bei mir war sie nicht.« Ich verstand das alles nicht.
    »Dir will sie auch noch sagen, wie leid es ihr tut«, erklärte Lennart, und dann erzählte er, dass Saskia offensichtlich eine Art Nervenzusammenbruch gehabt hatte. Ein paar Tage nach unserem Trip nach Sylt hatte sie plötzlich in ihrem Büro gesessen und nicht mehr gewusst, was sie da eigentlich machte. Sie hatte nicht mehr gewusst, wie die Kaffeemaschine funktionierte, und wer die Leute waren, die sie anriefen. Ihre Eltern waren gerade nicht in der Kanzlei gewesen, daher hatte eine Kollegin sie zum Arzt gefahren. Und der hatte ein akutes Burn-out-Syndrom diagnostiziert und sie in eine psychiatrische Klinik überwiesen. Nach einigen Therapiesitzungen war sie in Begleitung ihres Therapeuten zu Lennart gefahren und hatte ihm erklärt, dass ich absolut keine Ahnung von allem gehabt hatte. Und sie hatte sich entschuldigt und ihm meine richtige Adresse gegeben.
    »Das war ja nett von ihr«, sagte ich.
    »Das finde ich auch.« Lennart lächelte.
    »Und den Rest hat sie dir auch erzählt?«, fragte ich hoffnungsvoll. »Das mit meinem verrückten Vater im Whirlpool meines Chefs?«
    Lennart schüttelte den Kopf. »Sie hat was angedeutet, aber ehrlich gesagt, habe ich das nicht ganz kapiert.«
    Also erzählte ich ihm alles, von dem Blumengießen im Haus meines Chefs und von meinen Eltern, die immer alles durcheinanderbrachten. Von dem Massagesessel und meinen Rückenschmerzen und von meinem ehemaligen Verlobten Jens, dem ich den Laufpass gegeben hatte.
    »Du warst verlobt?«
    Ich nickte. »Großer Fehler.«
    »Und warum hast du mit ihm Schluss gemacht?«, fragte Lennart, als ich geendet hatte, und seine Stimme klang so weich wie warme Vanillesoße. Meine Wangen wurden rot.
    »Weil ich dich noch mal küssen wollte«, sagte ich leise und ging einen Schritt auf ihn zu, legte meine Hand in seinen Nacken und zog sanft seinen Kopf zu mir herunter.
    Ich bin mir sicher, dass in dem Moment, in dem sich unsere Lippen trafen, einige meiner Synapsen wegen Überlastung den Geist aufgaben. Dieser Kuss war wie Schneeflocken an einem heißen Sommertag, wie ein Sternschnuppenregen am helllichten Tag. Wenn er mich nicht festgehalten hätte, wäre ich auf den Boden geflossen, denn meine Knie waren nur noch so stabil wie Blumenstängel.
    Und dann küsste er mich noch einmal. Und noch einmal.
    Und jetzt konnte ich mit Fug und Recht behaupten, dass ich nicht auf einen Typ Mann festgelegt war, denn ich hatte mich nach einem Mann mit braunen kurzen Haaren und blank rasierten Wangen in einen mit blonden langen Haaren und Bart verliebt.
    Lennart bewies mir dann auch, dass nicht nur Küssen ein gesamtkörperliches Großereignis sein konnte, sondern dass ich auch in Sachen Sex sehr vieles noch nicht wusste. Es war fast beängstigend, wie toll das sein konnte. Ähem.
    Ohne hier ins Detail zu gehen, musste ich zugeben, dass ich in den letzten Wochen durchaus mehr Verständnis für meine Eltern entwickelt hatte, die sich nie auf ihr Schlafzimmer beschränkt hatten. Wobei ich immer noch fand, dass man so was den eigenen Kindern nicht zumuten sollte. Aber Lennart und ich hatten ja keine. Zum
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