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Orchideenhaus

Orchideenhaus

Titel: Orchideenhaus
Autoren: L Riley
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stellte Lidia fest.
    »Ja. Das ist sie nach der bestandenen Abschlussprüfung der Universität, hier mit meinem Vater und dann mit Alicia und mir.«
    Lidia betrachtete die Bilder sowie das Gesicht ihrer Tochter in jeder Phase ihres kurzen Lebens genau, bevor sie den Blick hob und fragte: »Wie stirbt sie, Julia?«
    »An Eierstockkrebs. Offenbar lässt er sich nur schwer feststellen. Als er diagnostiziert wurde, war es bereits zu spät.«
    »Verstehe. Und Jasmine glaubt bis zu Ende, dass Elsie und Bill ihre Eltern sind?«
    »Ja.«
    Lidias Augen wurden feucht. »Sie lieben sie.«
    »Ja, Lidia.«
    »Obwohl sie nicht bekommt, was ich denke, als ich sie nach England schicke.«
    »Nein. Früher war es viel wichtiger als heute, in welche Gesellschaftsschicht man hineingeboren wurde. Die alten Regeln
gelten nicht mehr. Unbelastet durch unser Erbe, konnten meine Mutter und ich mit unserem Leben anfangen, was wir wollten.«
    Lidia nickte. »Wahrscheinlich hast du recht. Auch in Thailand werden Frauen stärker und lernen, selbständig zu sein. Obwohl ich in anderer Zeit aufwachse, heirate ich Mann, der mich gleichberechtigt sieht. Wir sind Partner, und unser Unternehmen macht mich zu sehr reicher Frau. Das erwarte ich nicht als junges Mädchen; ich will einfach nur heiraten und Familie haben.«
    »Im vergangenen Jahr habe ich gelernt, jeden Tag so zu nehmen, wie er kommt, und auf das Unerwartete gefasst zu sein«, sagte Julia.
    »Dann weißt du wie ich, dass alles möglich ist. Man muss immer in Zukunft blicken und auf Gott vertrauen, egal, welcher Gott. Ich finde, wir haben viele Gemeinsamkeiten, meinst du nicht? Wir lernen beide Leben auf harte Weise kennen; es macht uns klug und stark. Aber jetzt, liebe Julia«, sie unterdrückte ein Gähnen, »muss ich mich ausruhen. Du kannst hier sitzen bleiben oder morgen wiederkommen, damit wir uns weiter unterhalten.«
    »Ich komme morgen wieder.«
    »Und noch viele Male, bevor du abreist. Wir müssen Zeit nachholen.« Lidia stand auf, küsste Julia auf beide Wangen und nahm ihre Hand. »Ich bin froh, dass du mich findest.«
    »Ich auch«, sagte Julia und erwiderte die Küsse. »Meinst du, Nong könnte mir ein Taxi rufen?«
    »Ja, kein Problem.«
    »Morgen um die gleiche Zeit?«, fragte Julia.
    »Ja.«
    »Auf Wiedersehen, Lidia.« Julia verabschiedete sich mit einem Winken und folgte Nong hinaus.

59
    In der folgenden Woche besuchte Julia Lidia jeden Tag. Sie unterhielten sich viele Stunden und fanden so manches übereinander heraus. Julia erfuhr, dass Lidia ihrem Mann geholfen hatte, aus einer kleinen Seidenweberei ein Großunternehmen zu machen, das in alle Welt exportierte. Lidias Entwürfe und ungewöhnliche Farben waren ihrer Zeit voraus und im Westen beliebt. Ihre weichen Möbelstoffe zierten einige der schönsten Häuser des Globus.
    »Das Unternehmen ermöglicht mir, was ich am meisten wünsche – reisen«, erklärte Lidia. »Nach Tod meines Mannes verkaufe ich es und werde sehr reich. Aber Hektik von Beruf fehlt mir.«
    »Bist du je in England gewesen?«
    »Ja. Ich steige immer in Oriental in Knightsbridge ab. Dort bekomme ich Rabatt! Aber«, sie erschauderte unwillkürlich, »ich kann englisches Wetter nicht leiden. Harry nennt mich einmal seine Treibhausblume, und er hat recht: Ich kann in England nicht leben. Deshalb komme ich jedes Mal nach Bangkok zurück. Dieses Land und kleine Haus, wo ich zuerst mit meinem Mann wohne, sind meine Heimat.«
    »Ich wünschte, ich wüsste, wo ich hingehöre«, sagte Julia wehmütig.
    Lidia tätschelte ihre Hand. »Julia, du bist jetzt an Punkt, den viele Menschen irgendwann in Leben erreichen, wo alle Wegweiser für Zukunft verschwinden.«
    »Stimmt«, pflichtete ihr Julia bei, die erkannte, wie wichtig die vergangenen Tage gewesen waren, in denen sie sich Lidia geöffnet hatte. Die Worte der alten Frau trösteten und beruhigten sie. »Ich sehe einfach keinen Weg zurück zu Kit. Er
hätte das Gefühl, mir nicht mehr vertrauen zu können. Ich muss einen anderen Wegweiser finden und dem folgen.«
    »Keine Sorge, Julia. Er ist in dir. Vielleicht brauchst du nur Hilfe, ihn zu erkennen.«
    »Hoffentlich hast du recht«, meinte Julia traurig.
     
    Julia wusste, dass ihr Aufenthalt in Bangkok sich dem Ende zuneigte und sie eine Entscheidung über die Zukunft treffen musste. Sie buchte für den folgenden Abend einen Flug nach Paris. Dort wollte sie sich mit Olav treffen, der einige Tage in der Stadt verbrachte, und mit ihm über ihr
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