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Opernball

Opernball

Titel: Opernball
Autoren: Josef Haslinger
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es ruhig.«
    Er wandte sich an seine Frau. »Was meinst Du? Das sieht hier niemand, ha?«
    Sie legte Schnitzel ins Fett und schüttelte den Kopf. »Kann ich mir nicht vorstellen.«
    Wir setzten uns an den Küchentisch, wo für drei Personen gedeckt war.
    »Wollen Sie ein Bier? Christl, bringst Du uns bitte zwei Bier. Was wollen Sie nun eigentlich wissen?«
    »Wie Sie den Opernballtag erlebt haben. Das muß ja eine furchtbare Arbeit für Sie gewesen sein.«
    »Grauenhaft. Es war der schlimmste Dienst meines Lebens.«
    Er blickte dabei auf den Fernsehapparat. Ich fragte: »Kann ich den Ton abdrehen?«
    »Ja, klar.«
    Er nahm die Fernbedienung zur Hand und drehte den Ton zurück. Seine Frau brachte zwei Flaschen Bier. Danach trug sie eine Frittatensuppe auf. Ich lehnte mich zurück, während sie mir einschenkte. In der Ecke über dem Küchentisch hing ein leerer Geschenkkorb. Fritz Amon bemerkte meinen Blick.
    »Den habe ich zum fünfjährigen Dienstjubiläum bekommen.«
    Während er Suppe aß, begann er vom Opernballtag zu erzählen. Ich schaltete das Band ein. Über seine Frau sprach er, als ob sie nicht anwesend wäre. Manchmal blieb sein Blick am Fernseher hängen, und er hörte für einen Moment zu reden auf. Er war ein Aufschneider. Ich war mir nicht sicher, ob wirklich er den Finger gefunden hatte. Möglich war es natürlich. Auch daß er als einziger Gewöhnlicher bei der Dienstleiterbesprechung gewesen sein soll, kam mir unglaubwürdig vor. Vielleicht hatte ihm einfach derjenige, den er »einführender Kollege« nannte, davon erzählt. Die Geschichten um den Ausländerhilfsverein waren mir neu. Zwar hatte ich von dem Tod eines Demonstranten gehört. Aber ich war damals zu sehr mit Jugoslawien und später mit der Vorbereitung des Opernballs beschäftigt, um mich näher damit zu befassen. Fritz Amon wäre es am liebsten gewesen, wenn sich nachweisen ließe, daß der Opernballanschlag in Wirklichkeit auf den Ausländerhilfsverein zurückgehe.
    Er schnitt sein Schnitzel in Streifen. Zu meiner Überraschung setzte er dann zu gekonnten Querschnitten an, ohne daß dabei die Streifen verrutschten. Sein Teller sah aus, als wollte er ihn einem Kind servieren. Als erstes aß er die unregelmäßigen Enden. Zurück blieb ein Rechteck aus regelmäßigen Schnitzelquadraten, die er sich Zeile für Zeile einverleibte. Als ich das Band wechselte, nutzte er die Gelegenheit, den Ton des Fernsehapparats aufzudrehen. Aber kaum stand mein Recorder wieder bereit, drehte er den Ton zurück. Das Merkwürdige war, je länger Fritz Amon redete, desto sympathischer wurde er mir. Solange er nicht von Politik sprach. Am Schluß lud er mich ein, ihn wieder zu besuchen. Ich denke, ich werde es tun. Jedenfalls solange das Buch nicht veröffentlicht ist.
     
    In den Zeitungen waren die Fahndungsfotos von Feilböck und einem Mann abgedruckt, der in der Gruppe der Ingenieur genannt wurde. Die Eltern des Ingenieurs wohnten im Burgenland. Sie wollten mit mir nichts zu tun haben. Sie verboten mir zu kommen. Sie verweigerten auch jede Auskunft. Ich hatte die Mutter des Ingenieurs ans Telefon bekommen. Aber sie gab den Hörer sofort an ihren Mann weiter.
    »Lassen Sie uns in Ruhe«, brüllte der ins Telefon.
    Mit Feilböcks Eltern hatte ich mehr Glück. Ich durfte sie besuchen. Sie wohnten in einem Gemeindebau in Hernals. Feilböcks Vater war ein stämmiger Mann mit gewellten, dunklen Haaren. Er arbeitete in einem Motorenwerk. »Mein Leben lang habe ich sozialistisch gewählt«, sagte er. »Aber jetzt ist Schluß damit.«
    Feilböcks Mutter war zierlich. Sie arbeitete beim mobilen Pflegedienst der Stadt Wien. Sie betreute alte und gebrechliche Menschen.
    »Ich habe einen großen Fehler gemacht«, sagte sie, mit ihren Händen auf dem Schoß. »Ich habe den Polizisten erzählt, daß Karl im Keller einen Schrank hat. Sie haben ihn aufgebrochen und alles beschlagnahmt. Jetzt kann er nicht mehr zurückkommen, weil sie ihn verhaften würden.«
    Sie ging davon aus, daß ihr Sohn noch lebte. Seit über eineinhalb Jahren war er vermißt.
    »Mit dem Opernballanschlag hat Karl sicher nichts zu tun«, sagte Feilböcks Vater. »Das hätte er nie und nimmer gemacht. Er ist ein grundanständiger Mensch, nur leider in schlechte Gesellschaft geraten. Er wollte raus, aber es war zu spät. Die Polizei sagt, die Terroristen haben ihm vor seiner Flucht einen Finger abgeschnitten. Das muß man sich vorstellen. Bei uns geht es ja schon zu wie bei den Mullahs. Jetzt traut er
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