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Opernball

Opernball

Titel: Opernball
Autoren: Josef Haslinger
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geliefert, aber gleich dazugesagt: »Nimm die erste, die ist lustiger.«
    Als sie an mir vorbeigingen, fragte ich mich, was denkt so ein Polizist. Wie hat er den Abend erlebt? Ich ging zurück und sprach ihn an. Daß ich bei ETV arbeite, verschwieg ich geflissentlich. Ich sagte, ich sei ein englischer Journalist. Ich recherchierte über die Hintergründe des Opernballanschlags. Mein Sohn sei dabei umgekommen.
    »Ihr Sohn?« Er machte eine kleine Pause. Dann sagte er: »Beileid.« Nur das Wort Beileid. Ich wußte nicht, was ich darauf antworten sollte. Er fragte mich, woher ich so gut deutsch spräche.
    »Mein Vater ist Wiener..«
    »Interessant«, sagte er. »Sind Sie sozusagen auf Heimatbesuch.«
    »Nicht ganz. Ich bin in London aufgewachsen.«
    »Ah, in London. Ist eine große Stadt. Größer als Wien?«
    »Ja, viel größer.«
    »Da haben Sie sicher auch alle möglichen Probleme. Giftler und so. Haben Sie viele Giftler in London?«
    »Ja, leider. Mehr als in Wien.«
    »Mir reicht es hier schon. Schauen Sie sich um in der Passage. Da können Sie was erleben.«
    Er blickte zurück Richtung Abgang zur U4, wo einige Jugendliche am Boden saßen. Sein Kollege sprach kein Wort. Er stieg von einem Fuß auf den anderen und hörte uns zu.
    »Ich wollte Sie etwas fragen.«.
    »Bitte schön.«
    Er nickte freundlich und hielt den Kopf seitlich, als ob er schwerhörig wäre. Sein Gesicht hatte, von der Seite gesehen, zwei Spitzen. Die eine wurde von der langen Nase gebildet, die andere von der vorstehenden Oberlippe.
    »Ich hätte gerne ein Interview mit Ihnen gemacht. Wie Sie den Opernballtag erlebt haben und was Sie darüber denken.«
    »Nein, um Gottes willen, das darf ich nicht.«
    »Dürfen Sie nicht?«
    »Wir haben da unsere Vorschriften. Sie müßten bei der Pressestelle der Bundespolizeidirektion anfragen. Aber die werden Ihnen dann sicher einen anderen Interviewpartner geben.«
    »Warum ist das so? Es muß doch möglich sein, auch mit Ihnen zu sprechen, vorausgesetzt, Sie wollen es.«
    »Ist nicht möglich. Entschuldigen Sie, wir haben gerade einen Einsatz. Ich kann mich jetzt nicht mit Ihnen des langen und breiten darüber unterhalten. Aber morgen habe ich frei. Sie können mich anrufen, und dann werde ich Ihnen genau erklären, warum wir keine Interviews geben können.«
    Er nannte mir seinen Namen, Fritz Amon, und gab mir seine Telefonnummer. Dann gingen die beiden Polizisten weiter. Sie schienen es plötzlich eiliger zu haben als vor dem Gespräch. Der zweite Polizist hatte kein Wort gesagt.
    Am Abend überlegte ich mir, wie ich den Mann zum Sprechen bringen könnte. Ein Bekannter von mir hat ein Haus in Brighton, das er gelegentlich vermietet. Ich könnte dem Polizisten und seiner Frau, falls er verheiratet ist, einen Badeurlaub in Brighton anbieten. Am nächsten Tag stellte sich heraus, daß meine Überlegungen völlig unnötig waren.
    »Klar kann ich Ihnen alles erzählen. Aber mein Kollege darf das nicht wissen. Er ist neu, und ich kann noch nicht recht sagen, wie zuverlässig er ist. Wollen Sie vorbeikommen?«
    Wir verabredeten uns zum Mittagessen in seiner Wohnung. Sie lag am Rennbahnweg, jenseits der Donau in einem großen Komplex von Sozialbauten. Fritz Amon wohnte auf Stiege 116. Sicherheitshalber hatte ich mir eine alte Visitenkarte der BBC mitgenommen. Er hatte offenbar schon hinter der Eingangstür gewartet oder mein Kommen vom Fenster aus beobachtet, denn er öffnete die Tür, als ich den Finger noch am Knopf hatte. Er führte mich in die Küche und stellte mir seine Frau vor. Sie schien ein paar Jahre älter zu sein und hatte blonde Dauerwellen. Auf einer Kommode gegenüber vom Küchentisch stand ein eingeschalteter Fernsehapparat. Es lief eine deutsche Quizsendung.
    »Wie war schnell Ihr Name?«
    »Fraser. Kurt Fraser.« Ich sprach den Nachnamen mit a aus, so, wie ich es bei Freds Begräbnis gehört hatte. Dann gab ich ihm meine Visitenkarte. Er schaute sie lange an und zeigte sie seiner Frau.
    »Ist das Fernsehen?« fragte er.
    »Ja. Aber ich werde Ihren Ton nicht verwenden. Das ist nur eine Gedächtnisstütze.« Ich zog meinen Recorder aus der Tasche.
    »Ah, Sie wollen das Gespräch aufnehmen?«
    Er nickte dabei mehrmals und schaute zu seiner Frau, die mit dem Kochen beschäftigt war.
    »Ja, aber, wie gesagt, das ist nur für mich privat. Ich werde das nicht im Fernsehen verwenden.«
    »Englisches Fernsehen. Das würde hier ohnedies niemand sehen. Wenn Sie etwas brauchen können, dann verwenden Sie
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