Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opernball

Opernball

Titel: Opernball
Autoren: Josef Haslinger
Vom Netzwerk:
vorzufinden. Die Wegbeschreibung war mindestens eineinhalb Jahre alt. Ich hielt sie für einen Hinweis auf ein früheres Treffen mit spanischen oder französischen Rechtsradikalen. Dennoch wollte ich es nicht unversucht lassen. Je näher ich meinem Ziel kam, desto nervöser wurde ich. In Santany beging ich, wie mir bald darauf bewußt werden sollte, einen schweren Fehler. Ich hatte nicht gleich ein Hotel gefunden. Anstatt mich am Gemeindeamt oder in einer Bar nach einer Unterkunft zu erkundigen, folgte ich den Straßenschildern Richtung Felanitx. Meine Umhängetasche war leicht. Sie enthielt nur ein Handtuch, eine Badehose, Unterwäsche, den Recorder, acht Kassetten und einen kleinen Fotoapparat. Ich hatte aber nicht bedacht, daß mich, wenn ich mich nicht vorher irgendwo einquartierte, niemand vermissen würde. Die Straße wurde enger. Sie war an beiden Seiten von Steinmauern eingefaßt. Dahinter blühten unzählige Mandelbäume. In manchen dieser eingemauerten Gärten liefen Schweine frei. Sie fraßen die Borke der Mandelbäume ab. Weit und breit zeigte sich kein Mensch. Es war früher Nachmittag. Das Wetter war viel wärmer als in Wien. Selten fuhren Autos vorbei. Die Fahrer konnten mich nicht gleich sehen. Die Straße wechselte ein paarmal in scharfen Kurven die Richtung. Und ich konnte wegen der bis an den Straßenrand herangebauten Mauern auch nicht recht ausweichen. Als ich etwa eine halbe Stunde gegangen war, sah ich linkerhand eine Palme stehen, vor der ein Weg abzweigte. Ich schaute mich um und ging den steinigen Feldweg hinein. Auch er wurde von Mauern begrenzt, außerhalb derer aber noch Sträucher standen. An manchen Stellen war der Weg fast zugewachsen. Ein Auto war hier in letzter Zeit sicher nicht gefahren. Ich fand aber auch sonst keine Spuren. Je weiter ich ging, desto unheimlicher wurde mir die Gegend. Immer wieder blieb ich stehen, schaute mich um und horchte. In der Ferne blökten Schafe. Die vielen Mandelbäume erlaubten es mir nicht, weit vorauszublicken. Ich ging nur ganz langsam.
    Fast eine Stunde lang schlich ich voran, da sah ich einen Baumstamm quer über den Weg liegen. Ich stieg darüber und ging weiter. Der Weg machte eine Rechtskurve. Ich schaute vorsichtig um die Ecke der Steinmauer. Da waren gleich zwei Häuser. Eine kleine Hütte und zwanzig Meter weiter ein größerer Steinbau mit Flachdach. In der Wiese standen helle Säulen und Stümpfe. Als mein Herzschlag sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, beobachtete ich die Häuser. Es gab nicht das geringste Anzeichen, daß hier zur Zeit jemand wohnte. Die Fensterläden waren geschlossen.
    Ich nahm allen Mut zusammen und ging auf das größere Haus zu. Die Säulen, an denen ich vorbeikam, waren aufgestellte Bohrkerne. Vor dem Haus gab es eine Terrasse. Ich ging die paar Stufen hinauf und blickte mich noch einmal um. Dann klopfte ich an die hölzerne Tür. Es rührte sich nichts.
    »Ist hier jemand?«
    Keine Antwort. Ich kratzte meine bescheidenen Spanischkenntnisse zusammen.
    »Permiso? Hay alguien?«
    Ich ging einmal um das Haus herum. Alle Fensterläden waren geschlossen. Kein Hinweis, daß hier irgend jemand wohnte. Ich klopfte noch einmal und sagte mit lauter Stimme: »Permiso.« Dann drückte ich die Klinke. Die Tür war nicht abgeschlossen. Ich stieß sie nach innen, blieb aber auf der Terrasse stehen. Vor mir lag ein großer, hoher Raum. Direkt gegenüber war ein Fenster. Rechts davon führte eine Treppe zu einer Empore über einem anderen Raum, vielleicht der Küche. Ein kleines Bücherregal, ein hoher Korbsessel, Steinboden. Wegen der halboffenen Tür konnte ich die rechte Seite des Raumes nicht einsehen. Ich ließ meine Umhängetasche zu Boden sinken und ging ins Haus. Rechts war ein großer, runder Eßtisch, auf dem mehrere benutzte Gläser und eine Teekanne standen. Unter der Empore lag tatsächlich eine Küche. Die Tür stand offen. Auf einem Tischchen benutzte Teller, Töpfe und Besteck. Ich ging zum Eßtisch und faßte die Teekanne an. Sie war warm. In diesem Augenblick wußte ich, ich muß hier sofort verschwinden. Aber da war es schon zu spät. Kaum hatte ich mich zum Ausgang gewandt, hörte ich hinter mir ein Geräusch und die Worte: »Hände hoch und nicht umdrehen.«
    Ich schreckte zusammen. Aber gleichzeitig hob ich die Hände in die Höhe. Die Stimme kam von der Empore.
    »Was wollen Sie hier?«
    Ich habe noch eine Chance, dachte ich. Er redet mit mir. Solange er redet, schießt er nicht.
    »Sind Sie Karl
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher